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■ Filmstarts à la carteSozialstaat im Düstern

Es gibt Horror-Thrillerfilme, bei denen man ein wenig lachen muß, dann gibt es die, wo man sich gruselt, was man aber direkt beim ersten Schritt aus dem Kino auf die Straße von sich abstreift, und dann gibt's die, bei denen man wirklich und wahrhaftig da sitzt und Angst hat.

Wir reden hier nicht von der Angst, die einen dazu verleitet, dem Nachbarn noch halb charmierend ein Öhrchen abzuknabbern. Öhrchen helfen hier nicht mehr und Nachbarn auch nicht, weil irgendwie eine ganz frühe Schreckensquelle angezapft wird, von der du schon lange nicht mehr wußtest, daß es sie gibt. Diese sprudelt in Nightwatch, einem Film aus Dänemark, einem Land, dem man so was irgendwie zutraut, spätestens wenn man Lars von Triers „Riget“ gesehen hat, den übrigens niemand versäumen sollte. Beiden scheint die Kombination von Sozialstaat und nördlicher Düsternis nicht recht bekommen zu sein; die Versorgung erscheint als Hyperkontrolle, als übelwollender Big Brother, dessen Motive lange nicht mehr so klar auf der Hand liegen wie noch in den Dampfturbinenzeiten von Genosse Orwell.

Martin ist das, was die Romantiker einen empfindsamen jungen Mann genannt hätten. E.T.A. Hoffmann hätte an ihm seine Freude gehabt; seine Haut ist milchig, er schielt nach den Prostituierten, er mißtraut den Dingen, die er da so heraufpochen fühlt. Er hat einen Freund und irgendwie auch eine Freundin. Vor allem aber hat er Nachtwache. In der Gerichtsmedizin, im Leichenschauhaus.

Mit seinem 24. Geburtstag ist der Spaß vorbei; eine seltsame Trübnis ergreift ihn und seinen Kumpel: was soll jetzt noch kommen, Studium, Heirat, Grab, Himmel? Als er die Nachtwache antritt, bdeutet ihm der Wächter nicht nur, daß es nachts sei „wie auf dem Mars“, sondern daß es da eine Alarmlampe gäbe, die für den Fall aufleuchtet, daß versehentlich von den Damen und Herren Verstorbenen noch einer am Leben ist und an der Signalkordel gezogen hat. Wie gesagt, Sozialstaat und Horror sind dicht beieinander: Hier werden sogar die Toten noch fürsorglich überwacht. Um dieser bedrückenden Overprotection zu entweichen, schließen die Kumpels ein Abkommen. Sie werden sich, so oft es irgend geht, Grenzsituationen aussetzen. Wer Angst hat, muß heiraten...

Nacht, Nacht, Nacht. Auf seinen Gängen hört Martin, und wir mit ihm, wie einzelne Falter gegen die Birne schlagen, das Sirren der Neonlampen und die Stille der Toten.

Innerhalb weniger Tage spitzt sich das Geschehen zu; the plot thickens, wie der Engländer sagt. Ein Serienmörder schlägt zu, der es auf Prostituierte abgesehen hat, schließlich ist auch eine dabei, an der die beiden Freunde ihr Mütchen gekühlt haben, und schließlich bekommt Martin nachts Besuch von einem gewissen, äußerst freundlich, äußerst sozialstaatlich geneigten Herrn Polizeiwachtmeister, der den Serial Killer jagt. Die Schlinge um Martins Hals zieht sich zu: Nicht nur wird er der Hauptverdächtige (auch seine Freundin gerät langsam ins Grübeln), die Leichen im Leichenschauhaus, seine Patienten, fangen langsam an, subtile Dinge zu tun. Es ist eben kein platter Schreck, es ist mehr so, daß man für ein paar Sekunden – zu kurz, um es genau zu erkennen, aber lang genug, daß einem das Blut in den Adern gefriert – ein Lächeln sieht, wo keins sein sollte, ein Bein, eine zarte Blutspur, eine Hand. Ist es Wahnsinn oder ein Komplott. Soll man sich drauf einstellen, mit dem Horror leben wie Marlon Brando in „Apocalypse Now“, oder soll man sich an seinen Medizinbüchern festhalten.

Dazwischen – und das macht den Film eben so powerful – gibt es immer wieder Inseln des dänischen Glücks, mit netten Mädchen und netten Jungens. Mariam Niroumand

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