■ Filmstarts à la carte: Geile Reporter, vorteilhaft verschwitzt
Herr, dein Sommer macht so vor sich hin, man kommt kaum noch nach. Es fängt damit an, daß man schon morgens dreckige Fingernägel hat, wenn man noch gar nichts verschuldet haben kann, und daß sich das auch nicht wesentlich ändert, nachdem man im Prinzenbad gewesen ist. Da ist es dann günstig, abends in den Kintopp zu gehen, wo die Menschen solche Dinge nicht sehen können.
Zur Zeit empfiehlt sich, neben den empfohlenen Neuerscheinungen, die Wiederaufführung von Howard Hawks' Reporterfilm His Girl Friday, einer knapp am Remake vorbeigeschrappten Adaption des Ben-Hecht-Stückes „The Front Page“.
Bei Hawks ist der in Frage stehende Reporter allerdings eine Frau, und was für eine: Rosalind Russel ist keß und snappy, daß es eine Pracht hat. Der Hauptteil der Aktion vollzieht sich im Pressezimmer eines Gerichtsgebäudes. Dort sitzt, wie ein antiker Chor, eine Truppe von Nachrichten- Schmocks und spielt, während die Dinge ihren Lauf nehmen, permanent Karten. Vor dem Haus hämmert und sägt es: Der Sheriff und seine Leute zimmern einen Galgen. Schließlich kommt, wenn der Film seinen Winkel weitet, auch das Büro der Zeitung in den Blick. Ich weiß gar nicht, ob es Nichtjournalisten auch so geht, aber irgendwie sind Reporter im Film was Geiles. Sie haben's eilig, sind wichtig und häufig – wie Kollegin Wenner hier sagen würde – vorteilhaft verschwitzt.
Jedenfalls: Starreporterin Rosalind Russell sagt ihrem Chef Cary Grant, von dem sie gerade geschieden wird, daß sie ihren Job hinschmeißen und einen anderen Kerl heiraten möchte. Grant findet das eine wie das andere nicht gut, und wirft ihr deshalb ein Angebot hin, das sie, Vollblut- Rechercheuse, die sie nun mal ist, schlechterdings nicht ablehnen kann.
Es handelt sich um einen Radikalinski, der des Mordes bezichtigt wird und den die Zeitung aber für unschuldig hält. Als sich der Strick um ihn herum zuzuziehen beginnt, läuft er davon, um wenig später buchstäblich im Schoß der Dame Russel zu landen, als sie gerade mutterseelenallein im Presseraum sitzt. Grant und Russel sind Schlag auf Schlag, Wort auf Wort, präzise, knapp und im wesentlichen unromantisch.
Die Sache ist hawksmäßig vor allem in ihrer Symmetrie und dem Ton, der stets so snappy bleibt, wie man sich den Berliner immer vergeblich gewünscht hat.
Es sei noch mal an Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa erinnert, was sich vor allem auch für Leute aufdrängt, die Lust haben, die Karriere von Jonny Depp solidarisch-kritisch zu begleiten. Dessen Vehikel Ed Wood startet heute in den Kinos und wurde ja auch lang und breit von ihrer treuen Kinoredaktion auf den überregionalen Kulturseiten des heutigen Donnerstags besprochen (Donnerstag, Sie erinnern sich, das ist immer der Tag, an dem Sie die Cinemataz herausnehmen und in der Küche aufhängen).
Auf dem platten Land in Iowa lebt Jonny alias Gilbert mit seinem eher einfach strukturierten Bruder Arnie und einer sehr, sehr, sehr schweren Mutter zusammen, die das Haus seit ungefähr 10.000 Jahren nicht mehr verlassen hat. Gilbert fährt Lebensmittel aus und wird dabei von vereinsamten Vorstadtfrauen vernascht, sein Bruder Arnie, den er sehr liebt und herzelt, klettert alle naslang wo hoch, wo man nicht hochkrauchen soll. Es kommt der Tag, da geht Mutter aus dem Haus, und es kommt der Tag, da taucht Juliette Lewis mit ihrer Mutter in einem Wohnmobil auf.
Das ist allerhand für Gilbert, und so sitzen sie fast schon gemütlich im Gras herum, aber eben nur fast, erst muß sie – mehr oder weniger unverrichteter Dinge – noch einmal abziehen. Aber: They always come back ... mn
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