■ Filmstarts à la carte: Ich dachte an eine Liebe zum schlechten Verputz
„Intelligentes, ästhetisch raffiniertes Fernsehen“ lautet die Botschaft des „Europäischen Fernsehfestivals“, welches, wie berichtet, diesen Sommer verschiedene Televisionen unter freiem Himmel anbietet. Weil erfahrungsgemäß schwer Aufmerksamkeit für solche Unternehmungen zu mobilisieren ist, hat man sich bei den Veranstaltern inzwischen auf den Griff zu einer bestimmten Form des dräuenden Kunstwollens verlegt, eingeläutet von Heiner-Müller-Zitaten („Denn das Schöne bedeutet das mögliche Ende der Schrecken“). Peter Greenaways für das britische Kulturprogramm Channel Four produzierte „Making a Splash“ oder „26 Bathromms“ ist dabei, nun folgt am Freitag Ulrich Seidls Film Tierische Liebe, den wir in unserem heutigen Daumenkino auf den überregionalen Kulturseiten besprochen haben. Dem Film weht ein Hauch von Skandal voraus, aber das ist ganz unnötig, wie wir unseren Berliner Lesern sogleich an einigen Interviewfragmenten mit dem Regisseur demonstrieren wollen.
Interviewer: „Die Ästhetik des Häßlichen spielt bei dir eine große Rolle. Ich dachte öfters an Francis Bacon oder an eine Liebe zum schlechten Verputz, an zerschlissene Tapeten, die an Tàpies denken lassen..., außerdem gehört auch die (Schaden-)Freude am Kitsch dazu. Ich habe den Eindruck, du wolltest signalisieren: Dort, wo es keinen schlechten Geschmack mehr gibt, also hinter den Geschmacksfragen, geht es erst richtig los mit den existentiellen Problemen.
Seidl: Existentielle Probleme gibt es auch in wohlhabenden Schichten, insofern (!) habe ich das nicht beabsichtigt. Richtig ist aber, daß vom Häßlichen eine bestimmte Faszination auf mich übergeht, und Freude am Kitsch habe ich sowieso.
Doch gebe ich zu bedenken, daß das Häßliche das Normale ist und das Schöne die Ausnahme. Die schönen Stunden im Leben hat man schnell zusammengezählt, doch in Unterhose und Socken steht man täglich seinem Partner oder seinem Spiegelbild gegenüber. Der schlechte Geschmack ist das Durchschnittliche und dominiert unser Leben, das fängt beim Essen an und setzt sich bei der Wohnzimmertapete fort. Man könnte aber (!) auch sagen: Ich liebe die Schönheit und das Schöne, gerade deswegen stelle ich die Häßlichkeit dar.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ähnlich wie „Waterworld“ ging Michael Ciminos „Heaven's Gate“ der Ruf des kompletten Finanz- und Inszenierungsdesasters voraus. Wen es aber nicht stört, daß für einen Film ein paar Dollar mehr ausgegeben werden, und wer außerdem noch eine angemessene Wertschätzung für Kris Kristoffersen einerseits und den „Deer Hunter“ andererseits aufbringt, der sollte sich am Freitag auf den Weg ins Zeughauskino machen, wo das Dreieinhalb- Stunden-Epos wiederaufgeführt wird.
Es geht um westwärts ziehende Immigrannten, die von den Aboriginals verdächtigt werden, von ihren Rinderhorden zu klauen. Sie stellen eine Todesliste mit 123 Namen auf... mn
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