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■ Filmstarts à la carteDie mongolische Sklavin und der Vorturner

Galt es in einem klassischen Hollywoodfilm die Rolle eines Asiaten zu besetzen, griff man nur selten auf einen Schauspieler fernöstlicher Herkunft zurück. Der Schwede Nils Asther spielte die orientalischen Fürsten, Boris Karloff reüssierte als Fu Man Chu, und Peter Lorre quälte sich als japanischer Detektiv Mr. Moto gleich durch eine ganze Serie von Filmen. Die Österreicherin Luise Rainer gewann für ihre Darstellung einer chinesischen Bauersfrau in „The Good Earth“ sogar den Oscar. Die Besetzungspolitik hatte durchaus einen rassistischen Hintergrund: Das weiße Publikum akzeptierte ethnische Minoritäten nur im Bewußtsein eines Maskenspiels – man fand es beruhigend zu wissen, daß sich unter der exotischen Schminke in Wirklichkeit ein Weißer verbarg.

Die große Ausnahme stellte Anna May Wong dar: Nach ihrem Filmdebüt als zwölfjährige Statistin hatte sich die 1907 als Wong Liu Tsong in Los Angeles geborene Schauspielerin in den zwanziger Jahren zur „Leading Lady“ hochgearbeitet. Doch auch Wongs Karriere litt unter den Vorurteilen der Zeit: Da „Rassenvermischung“ als inakzeptabel galt, erlebte sie auf der Leinwand nur selten ein Happy- End – meist starb sie in endlosen Madame-Butterfly-Varianten einen traurigen Tod. Nicht zuletzt deshalb verließ Wong Ende der zwanziger Jahre Hollywood: Sie drehte Filme in England, arbeitete mit deutschen Regisseuren wie Richard Eichberg und E.A. Dupont und spielte viel Theater. Ihren Durchbruch zum Star aber hatte sie in jenem Film erlebt, der jetzt im Babylon-Kino auf dem Programm steht: In Raoul Walshs „Der Dieb von Bagdad“ war Wong als sadistische mongolische Sklavin eine der Hauptattraktionen gewesen. Neben Wong und Douglas Fairbanks, der als Chefturner in der Titelrolle brilliert, sind es jedoch vor allem die eindrucksvollen Bauten des Filmarchitekten William Cameron Menzies, die den Stummfilm aus dem Jahr 1925 noch heute sehenswert machen. Einen interessanten Vergleich kann man übrigens am 17.5. zur britischen „Dieb“- Version ziehen, die der deutsche Regisseur Ludwig Berger (gemeinsam mit Michael Powell und Tim Whelan) 1940 in schönstem Technicolor für den Produzenten Alexander Korda inszenierte.

Mit „Magical Mystery Tour“ von und mit den Beatles zeigt das Arsenal-Kino am Sonnabend eine Rarität. Der BBC-Fernsehfilm zeigt das Quartett aus Liverpool bei einer surrealen, psychedelischen Kaffeefahrt ins Blaue: Unter anderem erleben die Musiker und ihre Gäste Abenteuer mit hirnlosen Militärs, John Lennon schaufelt einer fetten Dame riesige Spaghettiportionen gleich mistgabelweise auf den Teller, und als Höhepunkt spielen die Beatles „I am the Walrus“ in Pelzjacken und mit Tiermasken. Definitiv ein Produkt der Zeit.

Dem britischen Publikum, das an Weihnachten 1967 mit diesem filmischen Selbsterzeugnis der Beatles konfrontiert wurde, gefiel es übrigens nicht. Vermutlich hatten die Leute zu viele Sahnetorten und zu wenige Trips eingeworfen. Eigentlich schade, daß die Beatles einen mit Jean- Luc Godard geplanten Film zum Thema Abtreibung nie realisierten.

Lars Penning

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