■ Filmstarts à la carte: Fluß ohne Wiederkehr
Ehe das Zeughauskino wegen Renovierung für drei Jahre schließt (letzte Veranstaltung am nächsten Sonntag: mit Brunch ab elf und freiem Eintritt zu allen Filmvorführungen), sollte man nicht versäumen, sich mit Jean Renoirs „The River“ noch einmal einen der schönsten Farbfilme anzuschauen: Leuchtende Rots, satte Grüns (wo das Grün nicht grün genug war, strich Production Designer Eugène Lourié den Rasen an) und strahlendes Weiß begleiten die Geschichte einer Gefühlsverwirrung, die ein einbeiniger amerikanischer Kriegsveteran bei drei jungen Mädchen in Indien auslöst. „The River“ erzählt vom Erwachsenwerden, von Engländern in Indien und vom Versuch, sich zwischen zwei Kulturen zurechtzufinden. Vor allem jedoch zeigt dieser Film „ohne Anfang und Ende“ (Renoir) das Leben selbst: Geburt, Pubertät, Heirat und Tod – langsam und selbstverständlich fließt das Leben dahin wie der große Strom, an dem die Menschen leben.
Nach über zehn Jahren Recherchen hat der Filmpublizist Helmut G. Asper kürzlich eine Biographie des jüdischen Film- und Theaterregisseurs Max Ophüls veröffentlicht. Entsprechend voluminös gestaltet sich denn auch das Werk, aus dem der Autor am kommenden Sonnabend einige Passagen im Arsenal-Kino vortragen wird. Anschließend kommt ein selten zu sehender Film aus Ophüls' Exilzeit, die 1936 in Holland entstandene „Komödie ums Geld“, zur Aufführung. Trotz einiger dem kärglichen Budget geschuldeter Unzulänglichkeiten ein durchaus faszinierendes Werk über unser aller Zahlungsmittel Geld und darüber, was alles passieren kann, wenn man welches hat – oder wenn man es nicht hat und wenn andere Leute lediglich annehmen, man hätte welches.
Traditionell bemüht sich das Filmkunsthaus Babylon um ein besonders komisches kulturelles Erbe: Immer wieder einmal begleitet Jürgen Kurz am Flügel einige jener Kurzfilme, die Stan Laurel und Oliver Hardy in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren für das Studio von Hal Roach gedreht haben. „You're Darn Tootin'“, eine Regiearbeit ihres Komikerkollegen Edgar Kennedy, zeigt das Duo mit ihrer unnachahmlichen „tit-for-tat“- Komik: Nachdem ihre musikalischen Bemühungen Harmonie und Wohlklang eines Orchesters derart abträglich sind, daß sie hinausgeworfen werden, scheitern Stan und Ollie auch in ihrer neuen Karriere als Straßenmusikanten. Sie beginnen zu streiten, ruinieren sich gegenseitig ihre Instrumente und ziehen Dutzende von Passanten mit in die eskalierende Prügelei hinein. Noch schöner: „We Faw Down“ mit dem typischen „Touch“ des Regisseurs Leo McCarey. Peinlichkeiten aller Art steigern sich ins Unermeßliche, ein Mißverständnis zieht stets ein noch größeres Mißverständnis nach sich, und die Lügengerüste, die zur Wahrung des häuslichen Friedens aufgebaut werden, geraten immer gewaltiger. Einsame Höhepunkte: Ollie, der mit einem um die Hüften gebundenen Lampenschirm einen hawaiischen Tanz vorführt, und der Lachkrampf, der Laurel ereilt, als er in der Zeitung lesen muß, daß das Theater, in dem die beiden angeblich den Abend verbrachten und dessen Attraktionen Hardy den Gattinnen gerade so bildhaft schildert, leider abgebrannt ist.
Lars Penning
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