Filmstarts à la carte: Der Aufsteiger
■ Wie so viele Komiker seiner Generation hatte auch Harold Lloyd seine Karriere als Chaplin-Imitator begonnen. Erfolg winkte ihm allerdings erst, als er gegen Ende der 10er Jahre seinen eigenen Typus entwickelte. Fortan trat er als schüchterner junger Mann mit kreisrunder Brille und Strohhut auf, der - von seiner Umwelt stets ein wenig untergebuttert - doch stets von einem unerschütterlichem Glauben an den „American Dream“ geprägt bleibt. Lloyds Filme sind Aufsteigergeschichten, die von Schein und Sein handeln: Harold gibt sich als etwas aus, was er nicht ist und wächst dann langsam in die angenommene Rolle hinein. In dem 1923 entstandenen „Safety Last“ von Fred Newmeyer und Sam Taylor verdeutlicht schon die erste Szene, dass hier nichts so sein wird, wie man anfänglich vermutet: Zwei weinende Frauen nehmen Abschied von dem hinter Gitterstäben verharrenden Harold, der von einem Uniformierten und einem Pfarrer begleitet wird, während im Hintergrund bereits der Galgen zu warten scheint. Dann zeigt die Kamera die Szenerie von der anderen Seite: Der „Galgen“ ist ein Streckensignal und der Mann in Uniform ein Bahnhofsvorsteher. Harold reist nämlich nur mit dem Zug in die große Stadt, um Arbeit zu suchen. Dort angekommen, schreibt er den Lieben daheim ausgesprochene Märchen von seinem unaufhaltsamen Aufstieg zum Geschäftsführer eines Kaufhauses - tatsächlich arbeitet er lediglich als Verkäufer. Als seine Verlobte ihn unverhofft besucht, muss Harold beide Rollen spielen: die des Verkäufers, um seinen Job nicht zu verlieren, und die des Managers, um seine Braut nicht zu enttäuschen. „Safety Last“ endet mit einem exzellenten Sinnbild für Harolds „Aufstieg“: Als Werbegag soll er die Fassade des Kaufhauses erklimmen - der haarsträubende Aufstieg (eine der schönsten und bekannstesten Szenen des Komikers) wird ihm schließlich den beruflichen Erfolg bringen und endet in den Armen seiner Freundin.
„Safety Last“ 19.8. im Arsenal 2
■ Einzigartig in ihrer Spottlust und ihrem Witz sind die Filme, die Ernst Lubitsch kurz nach dem ersten Weltkrieg inszenierte. In „Die Austernprinzessin“ treffen die Vertreter einer neuen Ära auf den nunmehr verarmten Adel: Der „Austernkönig von Amerika“ will seiner Tochter einen echten Prinzen schenken, der - die Zeichen der Zeit - mitsamt Diener in einer ärmlichen Hinterhofwohnung haust. Nicht nur die Kulturlosigkeit des neureichen Kapitalisten und der Snobismus des Prinzen, sondern auch der Wohltätigkeitsfimmel reicher Erbinnen werden gnadenlos der Lächerlichkeit preisgegeben: Im „Verein der Milliardärstöchter zur Bekämpfung des Alkoholismus“ begießen die Mädels die feurigen Reden stets mit einem guten Schluck. Noch grotesker geht es in „Die Puppe“ zu: Aus Angst vor der geplanten Heirat versteckt sich der Neffe eines reichen Mannes im Kloster. Die geldgierigen Mönche wittern eine Erbschaft und überreden ihn, zum Schein eine mechanische Puppe zu ehelichen. Doch das vermeintlich anspruchslose Wesen stellt sich als die Tochter des Konstrukteurs heraus... Neben Ossi Oswaldas frecher und amüsanter Verkörperung der „Puppe“ bestechen vor allem die stilisierten Pappkulissen, deren Modelle Lubitsch selbst im Prolog in einer Miniaturlandschaft aufstellt.
„Die Puppe“ und „Die Austernprinzessin“ 20.8. Zeughaus Open Air Kino im Garten des Kronprinzenpalais
■ Nur selten zu sehen bekommt man den ersten Splatterfilm der Geschichte: Herschell Gordon Lewis‘ Opus magnum „Blood Feast“ (1963) erzählt von einem Ägypter, der in Amerika hübsche Frauen meuchelt, um mit ihren Körperteilen eine antike Göttin wieder zum Leben zu erwecken. Die Folge: Viel Filmblut und Gekreische, wenig überzeugende darstellerische Leistungen und ein exzellenter, von Lewis selbst geschriebener Soundtrack mit einer unglaublichen Orgel- und Kesselpaukenmusik.
„Blood Feast“ 20.8. im Rahmen des Fantasy-Filmfests im Royal Palast 3
Lars Penning
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