Filmstarts à la carte: Fräulein Dur und der gesprenkelte Sweater
■ Die Blume im Knopfloch, die Hand lässig in die Hosentasche des Fracks gesteckt zweifellos war Adolf Wohlbrück die eleganteste Erscheinung des deutsch-österreichischen Films der frühen 30er-Jahre. Kein Wunder also, dass er fast zu Eis erstarrt, als ihn die mädchenhafte Paula Wessely in „Maskerade“ mit der Frage anspricht, ob er nicht vielleicht der Herr vom Eislaufplatz sei, „der immer im gesprenkelten Sweater herumläuft?“ Peinlich für die naive Schöne - doch der gerechte Ausgleich folgt am Ende, wenn den immer so kühlen und ironisch-distan-zierten Wohlbrück seine Liebeserklärung derart verlegen macht, dass er sie der Wessely geradezu ins Gesicht brüllen muss. Inszeniert wurde die bitter-süße Komödie um die Eskapaden eines Malers (Wohlbrück), der einen Skandal auslöst, als er eine Dame der feinen Wiener k.u.k. Gesellschaft nur mit einem Muff bekleidet malt, 1934 von Willi Forst. Dessen Filme zeichnen sich vor allem durch Charme, Eleganz und eine hohe Musikalität aus: Walzerseligkeit, Caruso-Abende in der Oper, pikante Chansons in verräucherten Spelunken - jede Gesellschaftsschicht bekommt ihre eigenen Noten. Und die bringen sogar den Plot erst in Schwung: Als Wohlbrück nämlich einmal für eine Notlüge einen Namen benötigt, fällt ihm partout nichts ein. Doch da blickt er auf eine Partitur, und schon ist ein Fräulein Dur geboren. Nur dumm, dass es sie wirklich gibt...
„Maskerade“ 13.10. im Arsenal
■ Western in disguise: Für seine zweite Regiearbeit „Assault on Precinct 13“ unternahm John Carpenter einen Ausflug in die Gefilde seines Vorbildes Howard Hawks und erzählte die Geschichte einer kleinen, unzulänglich ausgerüsteten Notgemeinschaft, die ein fast verlassenes Polizeirevier in Los Angeles gegen einen über-mächtigen und dabei nahezu gesichtlosen Feind verteidigen muss. Das erinnert natürlich an „Rio Bravo“, aber auch ganz generell an den Westerntopos der in einem Fort eingeschlossenen Soldaten, die von Indianern bedroht werden. Carpenters zitatreiches Spiel mit den Mythen des Kinos gehört unbedingt auf die Leinwand eines Filmtheaters - nicht allein, um die Breitwand-Bildkompositionen besser genießen zu können, sondern auch, weil die lyrischste Szene im Fernsehen immer herausgeschnitten wird: wenn das kleine Mädchen mit der Eistüte von einem Schurken eiskalt durch die Brust geschossen wird.
„Assault - Anschlag bei Nacht“ 13.10. im Filmtheather am Friedrichshain, 15.10. im Delphi
■ Ein Porträt eines Flusses, der Landschaften, die er durchquert, der Leute, die an seinen Ufern leben: Die belgische Regisseurin Annik Leroy verfolgt in „Bis ans Meer“ den Lauf der Donau von ihrer Quelle im Schwarzwald bis zur Mündung am Schwarzen Meer. Zu den interessantesten Aspekten der Dokumentation mit den kontemplativen schwarzweißen Landschaftsaufnahmen gehört die unterschiedliche Art und Weise, mit der die interviewten Menschen der vielen Donau-Anrainerstaaten ihre Umwelt wahrnehmen: Da ist die Donau Arbeitsplatz für einen Schiffer, eine in der Vergangenheit schier unüber-windbare Grenze für Menschen in Osteuropa oder auch Abenteuerspielplatz für Kinder. Wer den Wohlstand des Westens genießt, macht sich kaum Gedanken über die östlichen Nachbarn, und wer im Osten lebt, hat keine Zeit, an etwas anderes zu denken als an den Lebensunterhalt. Eines scheint allen Leuten gemeinsam: „Wenn man am Wasser geboren ist, kann man ohne Wasser nicht leben“, sagt eine Frau und zieht unbeabsichtigt ein Fazit des Films.
„Bis ans Meer“ 12./16.10. im Arsenal Lars Penning
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