Filmstarts à la carte: Die Leere im Zentrum
Ein Film, der es wie kaum ein anderer versteht, aus seinen Schauplätzen und dem Zeitkolorit Kapital zu schlagen: Carol Reeds Thriller „The Third Man“ (Der dritte Mann), 1949 an Originalschauplätzen im besetzten Wien entstanden, trifft mit der opulenten, oscarprämierten Schwarzweiß-Photographie von Kameramann Robert Krasker exakt die Atmosphäre der zerstörten Stadt mit ihren durch den Krieg zusammengewürfelten Bewohnern und Flüchtlingen verschiedenster Herkunft. Und mitten zwischen den kleinen und großen Schwarzmarktgeschäften, dem zynischen Durchkommenwollen und dem typischen Fatalismus der einheimischen Wiener befindet sich einer, der das alles nicht versteht: Holly Martins (Joseph Cotten), ein leicht begriffsstutziger amerikanischer Autor von Groschenromanen, der den vermeintlichen Unfalltod seines Freundes Harry Lime aufklären will. Der Penicillin-Schieber Lime war vermutlich Orson Welles beste Rolle: Obwohl er nur eine Viertelstunde lang zu sehen ist, kreist der ganze Film um seine Figur. Oder besser: um deren Abwesenheit, die eine ungeheure Erwartungshaltung schafft, der Welles allerdings bereits mit seinem ersten Auftritt spielend gerecht wird. Nur seine Beine kann man zunächst in einem dunklen Hauseingang erkennen, ehe Licht aus einem gegenüberliegenden Fenster auf sein Gesicht fällt und den Totgeglaubten mit dem spitzbübischsten Lächeln der Filmgeschichte für eine Sekunde den Blicken des ebenso betrunkenen wie überraschten Holly Martins offenbart. Ebenso denkwürdig: die berühmte Riesenradfahrt mit Limes zynischer Rechtfertigung seiner Schiebereien, und natürlich das Finale in den Abwasserkanälen.
„Der dritte Mann“ 23.2. im Filmtheater am Friedrichshain, 25.2. im Delphi, 26.2. im Thalia Babelsberg
Wie erstaunlich betagt Erich Kästners ewig jung gebliebener Jugendbuchklassiker „Emil und die Detektive“ heute bereits ist, verdeutlicht der Blick auf das Entstehungsjahr der ersten Verfilmung: 1931. Und damals hatten Emil, Gustav mit der Hupe, Pony Hütchen und die anderen Romanhelden auch schon drei Jährchen zwischen den Buchdeckeln gefristet. Den Film des späteren Kinemathek-Gründers Gerhard Lamprecht zeichnet aus, was auch Erich Kästner in seinen Büchern so meisterhaft versteht: Er nimmt die Kinder ernst, ohne dass von ihnen verlangt würde, sich wie kleine Erwachsene zu verhalten. Zweifellos ist die Verfolgung des Schurken (Fritz Rasp), der Emil im Zug das Geld stibitzt hat, eine ernste Sache - und gleichzeitig ein grandioses Abenteuerspiel. Das Drehbuch schrieb seinerzeit übrigens Billie Wilder, dessen garstiger Humor auch in diesem Frühwerk gelegentlich durchschimmert. Und weil Emil und seine Freunde im noch unzerstörten Vorkriegsberlin auf die Jagd gehen, besitzt der Film sogar einen gewissen dokumentarischen Wert.
„Emil und die Detektive“ 24./25.2. im Balázs
Nach ihren ersten Spielfilm-Erfahrungen mit „A Hard Day‘s Night“ und „Help!“ waren die Beatles davon überzeugt, selbst noch viel bessere kinematographische Werke drehen zu können. Das Ergebnis ihrer Bemühungen, der Fernsehfilm „Magical Mystery Tour“, traf das Publikum weitgehend völlig unvorbereitet: eine surreale Kaffeefahrt ins Blaue, bei der die Beatles bizarre Abenteuer erleben und mit Tiermasken „I am the Walrus“ spielen durften. In John Lennons Lieblingsszene schaufelt er einer fetten Dame mit einer Mistgabel riesige Spaghettiportionen auf den Teller. Ein Produkt der psychedelischen Ära der sechziger Jahre, das heute weit mehr Anklang finden dürfte als zur Zeit der Erstausstrahlung: an Weihnachten 1967 reagierte die britische Öffentlichkeit jedenfalls eher ungehalten.
„Magical Mystery Tour“ (OF) 24./27.2. im Arsenal
Lars Penning
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