Filmbremiere: Lehrfilm für den Balkan
■ „Hilfe! Wir sind Nachbarn“ uraufgeführt
Warum hat eine 60-minütige TV-Dokumentation über den Balkan-Stabilitätspakt eine „Bremer Filmpremiere“? Weil es hier seit 1999 die „Südost Medienagentur“ gibt, bei der der Bremer Filmemacher Christoph Sodemann nun „Hilfe! Wir sind Nachbarn“ gedreht hat. Pikanterweise ist sein Film selbst Teil des Projektes, denn er wurde vom Stabilitätspakt in Auftrag gegeben, und er soll in den Balkanländern im Fernsehen gezeigt werden – sozusagen als Lehrfilm für die Integration in die Europäische Union. Das Ganze ist dann auch ein solide gezimmertes TV-Feature. Der Inhalt ist hier eindeutig wichtiger als die Form, die schönen Bilder und die manchmal etwas zu formelhaft dramatische Musikuntermalung sollen das Publikum bei der Stange halten. Denn der Stoff ist auf den ersten Blick eher trocken: Von der Zerstörung einer Brücke im serbischen Novi Sad kann man halt spannender erzählen als von ihrem mühsamen Aufbau und den bürokratischen Hindernissen, die ihn behindern. In Form einer Reise durch Serbien, Albanien, Rumänien und Kroatien führt der Film unterschiedliche Projekte des Stabilitätspakts vor. Eine andere Brücke über die Donau soll endlich Bulgarien und Rumänien mit einer Autobahn verbinden. In Transsilvanien organisiert der deutsche Leiter eines „interethnischen Jugendbildungszentrum“ ein Folklore-Festival für die dort lebenden Minderheiten. In Nordalbanien zeigt Sodemann die gefährliche Arbeit von Minensuchern. Im Film kommen auch kritische Stimmen wie der Leiter des Belgrader TV-Senders B92 zu Wort. Er ist wohl auch als eine Lehrstunde in pluralistischer Meinungsbildung gedacht, aber bei dem Gespräch nach der Vorführung bemängelte Hans Koschnick, obwohl er den Film gut fand, dass Sodemann sich ein wenig um die grundsätzlichen Fragen von Sinn oder Unsinn des Stabilitätspaktes und um viele Konfliktstoffe gedrückt habe. Der Film solle halt dort im Fernsehen gezeigt werden und müsse darum „für alle Länder kompatibel sein“,antworte der Filmemacher. „Als ein guter Journalist lassen Sie alles, was Ihnen unbequem ist, weg.“ sagte Hans Koschnick. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen