Film zur Franco-Diktatur: Halluzinationen des Bösen
Der spanische Regisseur Álex de la Iglesia wagt sich an ein Tabu. In "Mad Circus" spiegelt er unbewältigte Konflikte der Franco-Diktatur an einem traurigen Clown.
"Wäre ich kein Clown, ich wäre ein Mörder", sagt einer der Clowns in Álex de la Iglesias Film "Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod". Dies benennt das Spannungsverhältnis, um das es dem spanischen Regisseur geht. Er will in der Geschichte eines traurigen Clowns namens Javier die ganze Geschichte der Gewalt in der franquistischen Diktatur erzählen und sie zugleich auf eine kathartische Weise in Bann schlagen.
Ein höchst ambivalentes Vorhaben, zumal bei einem Regisseur, der bisher durch Exploitationfilme wie "Perdita Durango" von sich reden gemacht hat. Nun spannt er einen großen Bogen von den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs bis in die Endzeit von Francos Regime. Und schon zu Beginn fällt ein weiterer programmatischer Satz: "Es lebe der Zirkus, es lebe die Republik!"
Das Circensische steht bei Iglesia den Inszenierungen der Macht gegenüber, und im Rollenspiel des lustigen Clowns mit seinem traurigen Partner findet er die zentrale Motivik, die er zum Schlüssel für seine Deutung bzw. Repräsentation der historischen Ereignisse nimmt. Der traurige Clown (als Erwachsener gespielt von Carlos Areces) ist derjenige, der geübt sein muss im Nehmen.
"Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod". Regie: Álex de la Iglesia. Mit Carlos Areces, Antonia de la Torre u. a. Spanien/Frankreich 2010, 108 Min.
Er stellt sich dem "Museo del Horror", als das Iglesia das 20. Jahrhundert auch durch Archivaufnahmen ausweist, mit dem Gleichmut der Resignation entgegen - ein Buster Keaton, der für das einfache Volk steht, dem die ganze Zeit übel mitgespielt wird.
Der Zirkus ist nicht nur Widerspiegelung der großen Geschehnisse. Er lässt Javier sogar direkt ins Zentrum der Gewalt geraten, vermittelt über die Figur des Colonel Salcedo, der den traurigen Clown zum Jagdhund des Generalissimus Franco macht. Während aber zum Beispiel in Paul Schraders "Adam Hundesohn", in dem ein vergleichbares Motiv auftaucht, alles im Zeichen einer posttraumatischen, therapeutischen Rekonstruktion steht, geht es Iglesia um etwas deutlich anderes.
Er findet im Zirkus und vor allem in der Figur des nur scheinbar lustigen Clowns, des impulsiven Sadisten Sergio (Antonio de la Torre) eine Möglichkeit, die unbewältigten (weil sexualisierten) Aspekte der Diktatur spekulativ darauf zu verschieben. "Mad Circus" wird so zu einem prominenten Beispiel des prekären Genießens der Macht im Modus der Unterwerfung.
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