Film übers Filmemachen: Handlung ist nicht alles
Schauspieler Timo Jacobs hat die Fortsetzung seiner Hamburg-Berlinischen Biographie verfilmt, die jetzt in den Norden kommt
Zu sagen, der Mann habe ein einnehmendes Wesen, hieße untertreiben. Wenn Timo Jacobs will, dann besteht er, scheint’s, gänzlich aus Charisma. Am Premierenabend vergangene Woche in Hamburg, im kommunalen Kino Metropolis gleich neben der Staatsoper, wuselt er in gut sitzendem Dreiteiler und silbernen Brogues herum, die eine Hand ständig um irgendwessen Taille gelegt oder auf irgendwessen Schulter, die andere voller Freikarten, die er nach und nach verteilt: an Freunde, neue und alte, an Produktionsbeteiligte, von denen eine Handvoll angereist sind, und an die vereinzelten Medienvertreter.
„Du bist doch von der Presse, oder? – Ja, stimmt, bin ich. – „Wir kennen uns doch auch irgendwoher, oder?“ – Nee, tun wir nicht, aber das könnte man in solchen Momenten glatt vergessen.
Jacobs spricht breit norddeutsch an diesem Abend, auch beim „Q&A“ nach der Vorführung; nicht so sehr im Film selbst, der spielt ja auch in Berlin. Dort lebt der gebürtige Itzehoer seit ein paar Jahren, davor tat er das in Hamburg, wo ihn – das ist die geraffte Geschichte – beim Auflegen irgendwo in einer Bar auf St. Pauli kein Geringerer für den Film entdeckte als Klaus Lemke, Deutschlands durchaus nicht diskret im Geheimen werkelnder, sondern beinahe notorisch in eigener Sache trommelnde König des Low-Budget-Films.
Bei Lemke habe er gelernt, erzählt Jacobs jetzt, „dass man es machen kann“, „wie man es machen kann“, aber auch, „wie man es nicht machen sollte“: Für seinen, Jacobs’Geschmack arbeitet Lemke mit arg viel Druck, das könne er nicht gut ab. Das ist interessant zu wissen, wenn man beider Filme ansieht: Die fallen für so manchen professionellen Betrachter wohl unter dieselbe Art von Dilettantismus – oder freundlicher: Do-it-yourself-Charme –, entstehen aber offenbar unter ziemlich entgegengesetzten Bedingungen.
„Kuck mal, was es mit dir macht“: Das gibt Jacobs, der Halbwegs-Neu-Regisseur dem angeblich bekannten Pressemenschen noch mit auf den Weg, als die Vorführung naht. Seinen zweiten Spielfilm als Regisseur hat er mit nach Hamburg gebracht, „Mann im Spagat“, Untertitel: „Pace, Cowboy, Pace“, und auch der ist wichtig, denn er schlägt einen Bogen zu Jacobs’Regiedebüt aus dem Jahr 2012, „Klappe, Cowboy!“.
Darin hatte er eine Geschichte erzählt, die autobiografisch zu lesen man kaum vermeiden kann: Vom tiefsten Punkt Deutschlands aus, also Neuendorf-Sachsenbande in der schleswig-holsteinischen Wilstermarsch, Kreis Steinburg, machte sich da der erwähnte „Cowboy“ mit dem BMX-Rad auf nach Berlin, um sein Glück zu suchen als Filmemacher. Was folgte in dieser „beseelten Komödie“, wie damals der Spiegel schrieb, war gleichermaßen ein Auf-die-Schippe-Nehmen der Branche, wie es auch eine Art von Liebeserklärung war.
Nun also kehrt „Cowboy“, gespielt vom Regisseur selbst, zurück, und es geht nicht mehr ums Naheliegende, also das Filmschaffen: Diesmal muss Geld her, damit die pflegebedürftige Mutter in die edle Residenz „Soho-Savy-Ritz“ ziehen darf, wo Elvis als Hologramm für Amüsement sorgt, statt nur im Heim „für Briefmarkenfreunde und Busfahrer“ verwahrt zu werden.
Das Leben des irgendwie sich durchschlagenden Protagonisten wirkt ein wenig wie das taz-Milieu auf Acid: Er verdingt sich als Fahrradkurier sowie beim Verkauf angeblich levitierten Wassers. Ferner verdingt er sich in nicht näher geklärter Weise „in der Lederszene“.
Weil, was da zusammenkommt, nicht reicht, soll es ein Fahrradrennen richten, dessen Ausgang irgendwann aber nicht mehr so wichtig erscheint, so wie überhaupt die Handlung in diesem Film eher eine Art Angebot darstellt, eine von mehreren Möglichkeiten der Sinnstiftung.
Man kann sich stattdessen aber auch an der Unbekümmertheit laben, mit der hier zu Werke geschritten wurde, am sichtlichen Vergnügen, das die Beteiligten offenbar hatten, darunter zahlreiche Quasi-Promis: Friedrich Liechtenstein ist darunter; Rolf Zacher vertickt als Alt-Freak „abgelaufenes Hasch“; Claude-Oliver Rudolph tritt als „Teufel vom Hermannplatz“ auf und Olli Schulz nonsens-hamburgert, als wolle er das komplette Studio Braun vertreten können.
Manchem freilich könnte all dieses Überbordend-Bunte, der teils krude Humor und der völlig unterbliebene Versuch, alle Enden am Ende irgendwo vertäut zuhaben, schnell zu viel werden.
In der Tat: „Der Film ist sehr voll“, so sagt es Jacobs vor der Hamburg-Premiere, einem „Heimspiel“, wie er nicht zu betonen müde wird. Sein Vater werde sich verspäten – „Stau auf der B 73“. So voll sei dieser Film, dass man ihn erst verstehe, „wenn man ihn ein paar Mal gesehen“ habe.
Genau das aber wird natürlich erschwert, wenn ihn kein einziges Hamburger Kino zeigen will: Jacobs bekundete mehrfach sein Unverständnis, „warum die nicht den Mut haben“. So läuft der Film seit gestern in Berlin, aber auch Bremen und Oldenburg, und demnächst auch in Hannover – aber halt nicht da, wo Jacobs’Karriere mal ihren Anfang nahm.
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