Film über Zivildienst in Auschwitz: Massenmord und Massentourismus
Zivildienst im ehemaligen Konzentrationslager: Der Coming-of-Age-Film "Am Ende kommen Touristen" spielt an einem Ort, wo Gedenken zur Routine verkommt.
Aus den Lautsprechern tönt polnische Rockmusik, als durch die Windschutzscheibe allmählich die Mauern des Konzentrationslagers erkennbar werden. Das Taxi hält an, das Ziel ist erreicht, "Auschwitz Parking" steht in großen weißen Lettern auf einem braunen Hinweisschild.
Auschwitz und Parking, zwei globalisierte Wörter, die so überhaupt nicht zueinander passen, die ebenso wenig in das polnische Oswiecim zu passen scheinen, und doch von dort nicht wegzudenken sind. Deutsch und Englisch - Massenmord und Massentourismus. "Am Ende kommen Touristen" schildert ebendiese paradoxe Problematik des Sicherinnerns, wenn es zum Touristenphänomen, zur alltäglichen Routine geworden ist.
Sven (Alexander Fehling) ist nicht als Tourist, sondern als Zivildienstleistender bei der Gedenkstätte angekommen.
KZ statt Jugendherberge
Eigentlich hätte er seinen Dienst gerne in einer Jugendherberge in Amsterdam angetreten, aber eine Stelle hat er nur hier in Oswiecim bekommen. Mit dürftigen Sprachkenntnissen beginnt er seinen Aufenthalt in der Fremde, der ihm viel zwischenmenschliches Feingefühl abverlangt: Neben der Arbeit mit Schulklassen vor Ort soll er sich vor allem um den KZ-Überlebenden Krzeminski kümmern.
"Anzünden!", teilt Krzeminski (Ryszard Ronczewski) seinem Helfer im Befehlston mit und schiebt erst dann das wenig freundlichere "Anzünden, bitte!" hinterher. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust, und ihm ist es zu verdanken, dass die Erinnerung wachgehalten wird, er hat die Gedenkstätte maßgeblich mit aufgebaut. Doch wie soll man einen alten Mann mit einer solchen Vorgeschichte von der Notwendigkeit von Krankengymnastik überzeugen - und das auch noch als Deutscher?
Erst Ania (Barbara Wysocka), eine polnische Dolmetscherin, die Führungen für Touristengruppen durch Auschwitz leitet, bringt die ersehnte Abwechslung in Svens Leben, abseits von Gedenkstättenroutine und einsamer Alltagstristesse. Durch die Beziehung zu ihr lernt er schließlich das eigentliche Oswiecim kennen, den Ort, an dem die Menschen auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufgehört haben zu leben.
Regisseur und Drehbuchautor Robert Thalheim ("Netto") war Mitte der 90er-Jahre selbst als Zivi in Auschwitz. Mit "Am Ende kommen Touristen" ist es ihm gelungen, einen Holocaust-Film zu schaffen, ohne den Holocaust selbst in den Vordergrund zu rücken. Er stellt nicht die Fragen nach der Vergangenheit, sondern zeigt, welche Spannungen und Widersprüchlichkeiten in die Gegenwart hineinwirken.
Erzählungen als Zeremonie
Realitätsnah und ruhig erzählt er von den Problemen, die Sven als Deutscher in Polen miterlebt. Von verbliebenen Vorurteilen der Polen ("na so was, ein Deutscher ohne Uhr") und Deutschen ("wie die Polen das haben verlottern lassen"). Von einem Zeitzeugen, dessen Erzählungen Teil einer Zeremonie geworden sind. Dessen Lebenswerk und dessen Würde zur Nebensache werden, wenn sie sich mit dem Tourismus nicht mehr vereinbaren lassen - weil er die vor Ort ausgestellten Koffer von ermordeten Juden nicht originalgetreu restaurieren, sondern fachmännisch reparieren möchte, wie er es seit jeher getan hat.
Und selbst mit der Liebesgeschichte zwischen Sven und Ania verspielt Thalheim nicht seine Glaubwürdigkeit einer realistischen Darstellung. Während für Ania feststeht, dass sie aus Oswiecim fortgeht, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen, schwebt Sven noch im westlichen Luxus der Ungewissheit, welchen Weg er in Zukunft einzuschlagen gedenkt.
ZDF, Dienstag 26.01, 0.15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!