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Film "The Help"Weiße Gutmenschen, hilflose Schwarze

"The Help", die Südstaaten-Geschichte der frühen 60er war in den USA ein Überraschungserfolg. Der Film bedient die üblichen Klischees weißer Überlegenheit.

Freundinnen: Aibileen Clark (Viola Davis) und Minny Jackson (Octavia Spencer) geben vor, die rassistischen Beleidigungen nicht zu hören. Bild: DreamWorks II

Mississippi 1960. Die Sklaverei ist seit drei Generationen abgeschafft. Aus den Leibeigenen sind schlecht bezahlte Bedienstete geworden. Sie schuften sich in den Häusern der Weißen krumm, füttern deren Babys, trösten sommersprossige Teenager und kämmen die Großmütter, die den alten Zeiten auf der Plantage nachweinen.

Die eigenen Kinder mussten viele wie Aibeleen (Viola Davis) in "The Help" in die Obhut anderer geben. Jetzt hält die schwarze Hausangestellte einer launischen Südstaaten-Mum den Rücken für Friseurbesuche und Charity-Veranstaltungen frei. Und wenn Aibeleen ein speckiges kleines Mädchen in ihren Armen wiegt, das der leiblichen Mutter schlicht zu hässlich ist, um es weiter zu beachten, leistet sie therapeutische Schwerstarbeit.

"Du bist lieb. Du bist schlau. Du bist wichtig." So Aibeleens Mantra. Und weil es auch dem eigenen fernen Kind und überhaupt der Aufwertung der eigenen Herkunft gilt, behauptet der Film hier eine fragwürdige Verschwisterung zwischen vernachlässigten weißen Kleinkindern und den seit Jahrhunderten brutal unterdrückten Schwarzen.

Die frühen 60er, das ist die Zeit, bevor John F. Kennedy, angetrieben von rassistischen Übergriffen in einer legendäre Rede sagt "wir sind in einer moralischen Krise, als Land und als Volk". Und bevor er den Gesetzentwurf im Kongress vorstellt, der als "Civil Rights Act of 1964" in jedem amerikanischen Geschichtsbuch ein eigenes Kapitel bekommt. Vielleicht genehmigt sich "The Help" deswegen diese ungeheuerliche, vorbewusste Position historischer Ahnungslosigkeit.

Ein weißes Mädchen, mit großen kreisrunden Augen, dem uneleganten Gang eines gerade auf die Hufen gekommenen Fohlens und einer unerträglichen Naivität soll es richten. Skeeter (Emma Stone) - "Moskito", so ihr Spitzname - soll die generationsübergreifende Ausbeutung schwarzer Frauen in den Haushalten angesehener Südstaaten-Familien mit lebensnahen Ich-Berichten in Kochbuchformat an die Öffentlichkeit bringen.

Durchgemenschelt und schockierend

Durchgemenschelt und schockierend, so will es ihre Lektorin. Skeeter soll den erinnerten Schmerz der schwarzen Hausangestellten patronisierend für eine Öffentlichkeit aus hochtoupierten Hausherrinnen und Pink tragenden Likörtrinkerinnen aufarbeiten. So wollen es der Bestseller von Kathryn Stockett und seine Verfilmung durch Tate Taylor.

Es ist eine der widerlichsten Verzahnungen von weißer Bevormundung schwarzen politischen Bewusstseins mit der individualisierten Befreiungsgeschichte einer jungen Weißen geworden. Denn Skeeter findet nicht nur das von der eigenen Familie verstoßene Lieblingskindermädchen wieder. Sie emanzipiert sich mit jedem weiteren Interview selbst von einem Leben als Sklaven dirigierende Hausfrau und zieht am Ende als Journalistin nach New York.

Was sie schafft, müssen die reifen schwarzen Frauen erst mühsam lernen. Dafür braucht der Film Aibeleen und ihre Freundin Minny viel zu sehr als weisheitsmurmelnde Instanzen, die so hart im Nehmen und so weich im mütterlichen Brustumfang sind.

Diese Schwarzen lehren die kinderlosen Sexbomben des Ortes, wie man einen lieblosen Ehemann mit duftenden Hühnchen und süßem Mais zärtlich stimmt. Sie lächeln und geben vor, all die Beleidigungen nicht zu hören. Bis sie einen Schokoladenkuchen mit den eigenen Exkrementen servieren, braucht es schon einen Riesenhaufen erlittenen Unrechts.

Die honigglasierte Oberfläche aufknacken

So ist es weniger das Drehbuch als die wunderbare Viola Davis, die Aibeleen zu einem reichhaltigen Charakter verhilft. Ihr Blick brennt Löcher in den Küchentisch, an dem Skeeter sie unbeholfen interviewt. Zu viel hat ihre Aibeleen bereits ertragen, als dass sie die ekelhafte Naivität der jungen Frau mit Hohn und Spott quittieren müsste. Das hätte der Film schon selbst erledigen müssen. Stattdessen doppelt er die selbstvergessene, arglose Stimme der Nachwuchsautorin mit selbstvergessenen, arglosen Bildern.

Es gibt nur eine Szene, die die honigglasierte Oberfläche endlich einmal aufknackt und eine Welt der kalten Angst und des belasteten Lächelns aufspringen lässt. Aibeleen ist auf dem Heimweg. Der Bus stoppt, ein Weißer kommandiert alle Afroamerikaner raus. Ein Schwarzer wurde erschossen. Irgendwo. Doch alle rennen nach Hause, als wären sie selbst in unmittelbarere Lebensgefahr. Weil sie in Mississippi sind. Weil es hier jeden von ihnen treffen kann, jederzeit.

"The Help", der US-Erfolgsfilm des Sommers, hält die Schwarzen klein und doof und ängstlich und klammert sich mit jedem rosa Törtchen an eine historische Wahrheit, die auf das gute Teeservice passt. Der Film kämpft sich nicht mit der komplexen Grausamkeit einer Nation ab; lieber beerbt er "Miss Daisy und ihr Chauffeur" um die zuckrigen Bilder und die Anmaßung, den Schwarzen auch noch das Bewusstsein und die Empörung über die eigene Unterdrückungsgeschichte hinterhertragen zu müssen.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • J
    Jürgen

    Ich habe mir den Film erst gestern angeschaut - ehrlich gesagt hatte die Kritik in der taz mich bisher davon abgehalten.

    Grundsätzlich muss ich sagen, dass zugespitzte Kritiken wie die hier ihren Wert haben - man schaut dann halt ganz genau hin und entdeckt an Punkten Bevormundung und Überlegenheitsdünkel, wo man sonst nichts entdeckt hätte.

    In der Tat ist das eine spannende Frage, die möglicherweise einen eigenen Film verdient hätte - wie konnte man im Jahr 1960 noch "so blöd" sein wie Skeeter zu Beginn des Films, von den anderen Südstaaten Frauen ganz abgesehen. Spannend wär auch gewesen der im Film gestellten Frage nachzugehen, wieso bei einer so wertschätzenden Erziehung durch die schwarzen Nannys wieder so bornierte weiße Frauen rauskommen, die den gleichen Rassismus praktizieren wie ihre Eltern.

    Aber der Filmemacher darf sich sein Thema selber suchen und ich habe ihn vor allem als Film gesehen, der Alltags- und Sozialgeschichte at its best liefert. Wo ist der Alltag von schwarzen Hausangestellten schon einmal Thema eines 130 Minuten Spielfilms gewesen? Das fand ich ... schön, das hat mich gefreut.

     

    Im Gegensatz zu der Kritikerin der taz fand ich nicht, dass Skeeter, Aibileen, Minny und die anderen schwarzen Frauen zur Emanzipation "anleitet". Im Film wird meiner Meinung nach gelungen gezeigt, wie ein kleiner Schritt den nächsten ergibt und ein Prozess entsteht, wo alle Beteiligten am Ende nicht mehr da sind, wo sie zu Beginn standen. In einigen "Emanzipationsszenen" sieht man Skeeter mit mehr oder weniger offenem Mund als jemand, der selbst überrascht ist von dem, was passiert.

     

    Zu guter letzt: Erschossen wird im Film der Schwarzenführer Medgar Evers - das hätten die hier so neunmalklugen Kritiker der Kritikerin zumindest mal erwähnen können.

    Oder habt ihr den Fil nicht gesehen?

     

    Jürgen

  • M
    Marina

    War Kennedy ein Zeitreisender? Meines Wissens wurde Kennedy 1963 ermordet, MLK 1968 - werden die Artikel in der taz überhaupt noch redigiert? Also schlechter geht es vom Niveau her ja echt nicht mehr - und von dem auch ansonsten miserablen Niveau des Artikels will ich hier mal gar nicht sprechen.

    Die taz wird ja täglich schlechter.

  • V
    Verblüfft

    John F. Kennedy war "angetrieben von nationalen Schocks wie der Erschießung Martin Luther Kings"...? Hallo, ist da wer...?

  • D
    drivebymissdaisy

    ich habe leider kein wort von dem artikel verstanden.

  • I
    Immigrant

    Business as usual

     

    Die Bildzeitung-taz lässt sich wieder einmal davon hinreissen, zuviel Staub um unwichtige Filme aufzuwirbeln.

     

    Dass people of color vom weissen Rassismus bedroht sind, weiss jeder.

     

    Der Begriff Gutmensch meint liberale Bürger mit leicht erregbaren Aufmerksamkeitsregler aber intellektuellem IQ-Mangel, um soziale Phänomene geistig zu durchdringen und an der Wurzel zu packen.

     

    Es ist ein Schimpfwort der Rechten und der Immigranten für das rot-grüne Milieu.

  • L
    Leser

    "Die frühen 60er, das ist die Zeit, bevor John F. Kennedy, angetrieben von nationalen Schocks wie der Erschießung Martin Luther Kings, in einer legendäre Rede sagt "wir sind in einer moralischen Krise, als Land und als Volk"."

     

    Ganz schlimmer Patzer. Kennedy wurde 1963 erschossen, King 1968.

  • N
    Nico

    @Ich

     

    Danke. Exakt das ist mir auch durch den Kopf gegangen, als ich die Überschrift gelesen habe.

    "Gutmenschen" ist ein Propagandabegriff, der von all jenen verwendet wird, die sich selbst als durchsetzungsstarke Helden stilisieren wollen, die endlich mal "auf den Tisch hauen".

  • IN
    Ihr NNameame

    Ohne ein Verfechter des stets tagesaktuellen Journalismus sein zu wollen...

     

    Der Film ist knapp vier Monate alt, falls er denn besprochen werden muss, wieso erst jetzt?

  • I
    Ich

    Muss dieser unsägliche Begriff "Gutmensch" unbedingt in der Überschrift auftauchen?

     

    Die Verwendung sollte man lieber den Broders überlassen.