: Fernkälte mit Schnee
In Schweden gibt es Alternativen zu stromfressenden Klimaanlagen: eingelagerter Schnee und Meerwasser
STOCKHOM taz ■ Am liebsten würde sich so mancher bei dieser Affenhitze in einen Schneehaufen hineinwühlen. Aber woher nehmen mitten im Juli? In der Großstadtschwüle? In der nördlich von Stockholm gelegenen Stadt Sundsvall ist das nicht so undenkbar: Schneeberge des vergangenen Winters kühlen dort das örtliche Krankenhaus an heißen Sommertagen.
Das Prinzip ist einfach. Bis zu 50.000 Kubikmeter Schnee werden im Winter in einem großen Bassin gelagert und mit Baumrinde zugedeckt. So hält er sich monatelang kalt. Das abtauende Schmelzwasser wird über einen Wärmewechsler in die Fernwärmeanlage des Krankenhauses geleitet und lässt PatientInnen und Personal im Sommer einen kühlen Kopf bewahren.
Mittlerweile interessiert sich auch das russische St. Petersburg für die Idee. Dort sind mit 25 Millionen Kubikmeter Schnee reichlich kühle Vorräte vorhanden.
Billiger als strombetriebene Klimaanlagen ist dieses System bislang allerdings nicht. „Bei einem Neubau wäre eine unterirdische Lagermöglichkeit nicht nur effektiver, sondern auch rentabler“, hat jedoch Kjell Skogsberg von der Technischen Universität Luleå in einer Studie herausgefunden.
Auch in Stockholm werden konventionelle Klimaanlagen durch natürliche Fernkühlung ersetzt. Bis zu 8 Grad kaltes Wasser kühlt über die Fernwärmeanlagen im Sommer die Büros in der City. Die Kälte holt man sich aus der Tiefe der Ostsee. Das Wasser aus den tieferen Regionen von Binnenseen abzuzapfen und es danach wieder zurückzupumpen wurde dagegen von den Behörden nicht genehmigt. Zu wenig wisse man bisher über die ökologischen Folgen, so die Begründung.
In Finnlands Hauptstadt Helsinki hat man in den vergangenen Jahren ein ebenfalls vorwiegend aus der Ostsee gespeistes Fernkühlungssystem massiv ausgebaut. Dort werden nicht nur die BewohnerInnen des Stadtteils Ruoholahti mit der Fernkühlung versorgt, sondern man hat auch in der City das Versorgungsnetz mit großen unterirdischen Tunneln erweitert. Da hier neun von zehn Häusern bereits an Fernwärmenetze angeschlossen sind, ist die Fernkühlung hauseigener Klimaanlagen der konventionellen Kühlung auch kostenmäßig deutlich überlegen. Umweltfreundlicher ist das System allemal. Weder stromschluckende Kompressorkühlungen noch umweltschädliche Kältemittel werden benötigt. Und leiser ist die Kälte aus der Ferne sowieso. REINHARD WOLFF