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Ferien auf dem Angelenhof

■ In einem abgelegenen Erholungsheim soll die Stasi den RAF-AussteigerInnen eine neue Identität verpaßt haben

Der Leiter des Ferienobjekts „Angelenhof“ ist völlig entnervt. So etwas habe er noch nie erlebt, und das, „wo doch die Leute hier gar nichts sagen können“. Der „Angelenhof“ ist eine wunderschön gelegene Ferienanlage rund zwei Kilometer vom Örtchen Briesen im Bezirk Frankfurt/Oder entfernt. Am Dienstag nachmittag wurde die einsam im Wald verborgene Bungalowanlage plötzlich zu einem Medienereignis: Fernsehteams und Zeitungsreporter stürmten das Gelände, um völlig ahnungslose Urlauber über die „Stasi-RAF-Connection“ zu interviewen und das Geheimnis der Stasi auf die Platte zu bannen.

Verursacher des Auftriebs, und deshalb in Briesen auch entsprechend beschimpft, war kein geringerer als Innenminister Diestel. Der hatte am Morgen bekanntgegeben, eine winzige Gruppe Eingeweihter innerhalb der Stasi hätte in einem Ferienobjekt des MFS in Briesen die neuen Identitäten für die in der DDR untergetauchten RAF-Leute hergestellt. Um welches Objekt es sich handele, könne man, so Diestel, ja der taz-Liste ehemaliger Stasi-Objekte entnehmen. Daß von den insgesamt fünf Stasi-Liegenschaften in Briesen am ehesten der „Angelenhof“ in Frage kam, war schnell festzustellen. In dem Ferienobjekt, welches nun der LPG-Briesen gehört, die es wiederum vom Rat der Gemeinde erworben hat, hätte die Stasi in der Tat optimal Leute auf eine neue Identität vorbereiten können. Völlig unauffällig lassen sich hier beliebige Personen unterbringen. Der Waldweg zum Haus endet nicht etwa im Ort, sondern genau an der Autobahnauffahrt.

Offiziell feststellen soll dies nun eine Mitarbeiterin der Bezirksverwaltung Frankfurt/Oder, die von Diestel beauftragt wurde, die einzelnen Stasi-Objekte in Briesen durchzugehen. Die Dame ließ am Dienstag abend den „Angelenhof“ erst einmal für die Presse sperren; Ergebnisse ihrer Recherche würden im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgegeben.

JG

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