piwik no script img

Feministisches PoplexikonMehr Frauen für Spionage

„These Girls“, herausgegeben von Juliane Streich, ist die erste deutschsprachige Anthologie nur über Popmusikerinnen. Die Auswahl besticht.

Macht den nächsten Bondsong: Billie Eilish Foto: REUTERS/Mike Blake

Auf die jüngst wieder gestellte Frage, ob Bond, James Bond, Agent 007 im Dienst Ihrer Majestät, demnächst von einer Frau gespielt werden dürfe, kann man sehr wohl mit einem „ja, warum eigentlich nicht“ antworten. Schon die Soundtracks zu den legendären Filmfassungen sind nie eine reine Männerdomäne gewesen.

Das James-Bond-Titelthema, mit dem 007 seit 1962 auf den Plan tritt, enthält jenes berühmte Surf-Gitarren-Riff, das auch Antiimperialisten im Schlaf mitpfeifen können. Es wurde zwar vom britischen Musiker Victor Flick eingespielt, an der Ausformung dieses elegant-nervösen Sounds sind jedoch zwei Frauen federführend beteiligt gewesen: Von der Gitarristin Kathy Marshall heißt es, ihr sei das Kunststück gelungen, Dick Dale, dem King des Surfsounds, die Show derart zu stehlen, dass der sie zur „Queen of the Surf Guitar“ kürte.

Marshalls Geschichte und die ebenso spannende ihrer Kollegin Chiyo Ishi erzählt die Forscherin Vera Kropf in der Anthologie „These Girls. Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte“, herausgegeben von der Leipziger Journalistin und (taz-)Autorin Juliane Streich. Sie hat damit ein essenzielles 300-Seiten-Buch kompiliert. Darin enthalten sind Texte über große Stars, aber auch über vergessene Musikerinnen. Nicht alle der darin enthaltenen 140 Künstlerinnen- und Bandporträts sind so sonnendurchflutet wie die Marshalls und Ishis.

Charakterkopf Nina Simone

Einer der schönsten James-Bond-Titelsongs wiederum ist Nina Simones Interpretation des Musicalklassikers „Feeling Good“ in „Goldfinger“. Natürlich darf ein Eintrag über die US-Sängerin bei „These Girls“ nicht fehlen. In seinem Text über Simone, stellt Sven Kabelitz gleich zu Anfang klar: Die Sängerin und Pianistin, Komponistin und Bürgerrechtsaktivistin mochte das ihr angeheftete Etikett Jazz überhaupt nicht. Lieber sprach sie von „Black Classical Music“. Simone, die Frau, vor der – das ist überliefert – Nick Cave als Veranstalter Angst hatte, hätte als „Charakterkopf“ gegolten, wäre sie ein Mann gewesen. „Getrieben, hoch verschuldet, alkoholabhängig und depressiv“, beschreibt Kabelitz Simone, eine Gewalterfahrene, die selbst austeilte und dabei nicht immer die Richtigen traf. Ihrer Musik tut das keinen Abbruch.

Das Buch

Juliane Streich (Hg.): „These Girls“. Ventil Verlag, Mainz 2019, 344 Seiten, 20 Euro

Lesungen mit Gästen: 24. 1. „Conne Island“ Leipzig, 27. 1. „Pfefferberg“ Berlin, 19. 3. „Pudel Club“ Hamburg, 16. 4. „Stadtbibliothek“ Worms

„These Girls“ hat Ähnlichkeiten mit einem Personenlexikon. Es ist nach Jahrzehnten gegliedert, von den 1940er und 50er Jahren bis in die 2010er Jahre. Diese Chronologie macht Sinn und verdeutlicht: Wir haben es hier mittlerweile mit acht Jahrzehnten Pop zu tun, eine Epoche, der zum Jahrhundert nicht mehr viel fehlt. Höchste Zeit also für eine feministische Durchleuchtung dieser Geschichte. Der nicht nur grammatikalisch männliche Kulturbetrieb ließe sich wahlweise als Schlangengrube oder Haifischbecken charakterisieren, nur müssten dabei wieder mal Tiere für den Kapitalismus herhalten, gegen den im Übrigen auch spricht, dass er als Entschuldigung für linke Ellbogenmentalität taugt.

Es muss anders gehen, wenn es anders werden soll. „These Girls“ erzählt davon mit einer erfrischenden Geringschätzung gegenüber stilistischen Grenzen. Dass im Achtziger-Jahre-Kapitel Kim Gordon, Cyndi Lauper und Madonna, mit ihr eine weitere Bond-Beiträgerin, exakt in dieser Reihenfolge auftreten, mag Zufall sein, illustriert aber die Anlage des von Streich als bewusst unvollständig annoncierten Bandes.

Punkzerlegerin neben Chartsstürmerinnen

Auf seinen Seiten reichen sich Bilder- und Chartsstürmerinnen die Hand, begegnen sich Pauline Oliveros auf Augenhöhe mit Tic Tac Toe. Sie tun das in der Nachbarschaft einer Chansonnière wie Édith Piaf und einer Punkzerlegerin wie Wendy O. Williams von den Plasmatics. Und noch einmal, warum eigentlich nicht? Um Diversität geht es hier, um ein „Wir, das nicht eins ist“, wie Atlanta Ina Beyer in ihrem Text über Bernadette La Hengst programmatisch formuliert.

Last but not least: Den Titelsong des nächsten Bond-Films wird mit Billie Eilish eine junge US-Künstlerin beisteuern, an deren Antihelden-Ästhetik Macker aller Klassen zu knabbern haben dürften. Und Bonds eigentliche Majestät ist und bleibt Miss ­Moneypenny.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Äh, ich vergaß: "Schon die Soundtracks zu den legendären Filmfassungen sind nie eine reine Männerdomäne gewesen."

    Zumindest was die Titelsongs angeht, wurden die zu ziemlich genau zwei Dritteln von Frauen (solo) dargeboten. Dazu kommen ein Duett sowie zwei Bands, an denen ebenfalls Frauen beteiligt waren. Und was, bitte, sind "legendäre Filmfassungen"?

  • Nicht jede Zusammenrottung von mehr als drei Männern ist gleich das Patriarchat, und nicht jedes Buch über Frauen ist feministisch. Es geht doch wohl eher um die weibliche Popgeschichte. Das Lustige daran ist allerdings, dass genau die Leute, die das jetzt ganzganzdoll finden, bis vor Kurzem - ich glaube, auch in dieser Zeitung- zu behaupten pflegten, Damen im Pop habe es eigentlich nie gegeben, und wenn, dann frühestens seit den 90ern. Und wie wir wissen, ist alles, was junge Menschen heutzutage so behaupten, die lautere Wahrheit. Wenn in dem Büchlein allerdings noch mehr solcher Weisheiten stehen wie die über Nina Simone, die angeblich im 1964er Bond "Goldfinger" ein Stück singt, das sie erst 1965 aufgenommen hat - der Song "Goldfinger" stammt selbstredend von Shirley Bassey, udn "Felling Godd" kommt darin nirgends vor -, dann kann man dieses Bevier wohl auch gleich in die Tonne treten.

    • Robert Mießner , Autor des Artikels,
      @ScreamQueen:

      Screamqueen,

      vielen Dank für den Hinweis.

      Goldfinger mit Nina Simone wäre wahrscheinlich einer der besten Bond-Filme und ihr Titelsong in der Tat einer der schönsten, doch er spielt nur in meiner Fantasie und taucht so nirgends in Juliane Streichs Buch auf.

      Möglich, dass dieser Artikel Philip Reynolds eine Rolle gespielt hat: www.telegraph.co.u...at-never-were.html, über "Feeling Good" schreibt er: "It positively drips with Sixties cool and, if this is possible, out Goldfingers Goldfinger."

      Mit Grüßen

      Robert Mießner