: „Feminismus ins Rathaus“
■ Wie Bremerinnen sich ihre Frauengleichstellungsstelle wünschen – Teil 1
Die Gleichstellungsstellen sind in einer Zeit konzipiert worden, in der der Staat merkte, daß die Frauenbewegung etwas mit dem Grundgesetz zu tun hat. Das sollte auch heute nicht vergessen werden.
Heute sollte eine Gleichstellungsstelle so frei sein, die Ziele der Frauenbewegung in die Rathäuser, Behörden und Ministerien zu bringen. Und zwar nicht nur den Wunsch nach formaler Gleichstellung, sondern auch den nach flexibleren Strukturen und einer „Männer-in-die-Familien-Politik“. Die Gleichstellungsbeauftragte sollte das Recht haben, in Sitzungen bei sexistischem Sprachgebrauch zu intervenieren und bei behördlichen Auswahlverfahren und Bewerbungsgesprächen dabei zu sein.
Zudem sollte sie eine wichtige Verbindung sein zwischen dem autonomen Feminismus und den Institutionen und Behörden. So wäre es ein Verdienst, bei Kongressen und Tagungen Bremer Projekte- und andere Frauen nicht nur an den Netzwerkbörsen, sondern auch an den Veranstaltungen selbst zu beteiligen, denn schließlich gibt es in vielen Frauengruppen reife Überlegungen und praktizierte Selbsthilfe – z.B. zu Themen wie: Wie schaffen wir uns einen Arbeitsplatz? Wie wünschen wir uns eine frauengemäße Architektur? Wie werden wir weniger rassistisch? Die Gleichstellungsstelle könnte eine Brücke zwischen dem noch immer verbreiteten feministischen Separatismus – der sowohl für eine persönliche Entfaltung als auch die Entwicklung neuer Ideen, Lebens- und Arbeitsformen von Frauen unverzichtbar ist – und einer Integration feministischer Gedanken in die Politik sein. Letzteres ist für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft unverzichtbar. Politik kann nur dann weniger verdrossen machen, wenn sie statt eines großen Lauschangriffs ihr Ohr mit Interesse näher an die Entwicklungsideen legt, die einen großen Teil der Bevölkerung bewegen.
Die Gleichstellungsbeauftragte wird das Problem haben, bei beiden Seiten Vertrauen finden zu müssen, während sie sich zunächst zwischen alle Stühle setzt. Sie müßte sich den Zielen des Feminismus verwandt fühlen und Institutionen kennen, ein hohes Maß an Integrationsbereitschaft haben und gleichzeitig eine produktive Streitkultur leben und initiieren können. Sie müßte neugierig darauf geblieben sein, wie sich die feministische Bewegung künftig entwickelt. Die wiederum müßte sich dann selbst ernst nehmen in der Rolle einer erwünschten Kontrollinstanz für Frauen in der Politik.
Agnes Hümbs,
Philosophische Praxis
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