: Feldzug gegen Arbeitslose
betr.: „Großkoalitionärer Vorgeschmack“ (Noch-Wirtschaftsminister Clement präsentiert Maßnahmenkatalog gegen „Abzocke“ von Arbeitslosengeld II), taz vom 10. 10. 05
Jetzt wissen wir endlich, wer schuld ist an der hohen Arbeitslosigkeit: die Arbeitslosen. Weil sich die Realität schon lange nicht mehr an der von Altersstarsinn geprägten Vorstellungswelt des Schönredners Clement orientieren will, gerät dessen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit immer mehr zum Feldzug gegen die Arbeitslosen.
Arbeitslose würden nicht nur im großen Stil staatliche Leistungen abzocken, sondern so auch noch die Arbeitslosenquote „um mindestens zehn Prozent“ über dem eigentlichen Niveau halten. Auf Deutsch: Super-Clement hat die Arbeitslosigkeit längst im Griff; die Öffentlichkeit merkt das nur noch nicht, weil so ein paar Schmarotzer den Sozialstaat ausplündern. Dass das absurd ist, weiß jeder, der für ein paar Euro ALG II schon einmal gründlich die Hose runterlassen musste. Und jeder, der arbeitslos ist oder mit Arbeitslosen zu tun hat, weiß auch, dass die ganzen Hartz-Regelungen bezüglich der Arbeitslosmeldung oder der Zumutbarkeit von Arbeitsgelegenheiten in der täglichen behördlichen Praxis ausschließlich dazu dienen, Sperrzeiten- oder Kürzungsbescheide gegen Leute zu verhängen, die sich nicht wehren können.
Dass die Schikanen nun mit Hausbesuchen und Anrufaktionen auf die Spitze getrieben werden sollen, ist ein trauriger Schlusspunkt unter der Amtszeit eines Ministers, der sich von der Lebensrealität seiner ehemaligen Klientel längst verabschiedet hat. Welchen Aufschrei hätte es wohl gegeben, wenn mit ähnlichen Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher vorgegangen würde?
KAI BERKE, Hannover