Fehler im Weltklimrat-Bericht: Gletscher ignorieren Forscher
Der Weltklimarat gibt Fehler in einem aktuellen Bericht zur Zukunft des Weltklimas zu: Die Prognosen zur Gletscher-Schmelze seien ohne wissenschaftliche Basis.
![](https://taz.de/picture/324149/14/gletscher_f_01.jpg)
Der Weltklimarat IPCC hat einen Fehler bei der Erstellung seines aktuellen Berichts zur Zukunft des Weltklimas eingeräumt. Die in dem Bericht getroffene Aussage, dass die Gletscher im Himalaja sehr wahrscheinlich im Jahr 2035 oder eher verschwunden seien, wenn der gegenwärtige Trend anhält, beziehe sich auf "schwach fundierte Schätzungen". In dem entsprechenden Passus würden die Standards, die der IPCC für seine Arbeit gesetzt hat, nicht angemessen erfüllt.
Mit diesem Statement reagierte das UN-Gremium auf Kritik, ausgelöst durch einen Bericht der britischen Sunday Times. Die Prognose zu den schmelzenden Gletschern im Himalaja beruht danach allein auf einem Interview, das der britische Journalist Fred Pearce 1999 mit dem indischen Wissenschaftler Syed Hasnain für das Journal New Scientist geführt hat. Hasnain erklärte am Mittwoch, er habe weder in einem Interview noch in einer Publikation je ein bestimmtes Jahr oder Datum im Zusammenhang mit der Gletscherschmelze am Himalaja genannt. Er habe aber möglicherweise angedeutet, dass die meisten Gletscher bis zur Mitte des Jahrhunderts abgeschmolzen sein könnten.
Doch die Vorhersage aus dem New Scientist wurde 2005 von der Umweltorganisation WWF in einem Bericht aufgegriffen und hielt darüber wiederum Einzug in den IPCC-Bericht. Der WWF räumte ebenfalls ein, dass sich diese Vorhersage als nicht korrekt erwiesen habe, und entschuldigte sich für den Fehler.
Der indische Umweltminister Jairam Ramesh hatte dem UN-Gremium in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, die Himalaja-Prognose "ohne einen Hauch von wissenschaftlichem Beweis" erstellt zu haben. Dennoch dauerte es bis zum gestrigen Mittwoch, bis der IPCC reagierte. Sprecherin Brendar Abrar-Milani begründete dies auf taz-Anfrage mit den notwendigen internationalen Abstimmungsprozessen. Und auch nach dem Verfassen des Statements, in dem der IPCC weiterhin betont, dass die Gletscher in Bergketten in Asien und Lateinamerika im 21. Jahrhundert schneller schmelzen als zuvor, blieb der strittige Absatz in dem Bericht auf der Homepage zumindest zunächst unverändert. Offenbar sieht das mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Gremium wenig Sinn darin, eine fünf Jahre alte Aussage zu korrigieren.
Der IPCC erstellt in regelmäßigem Abstand von mehreren Jahren Berichte über den Stand der Klimaforschung, die die Grundlage für die weltweiten Verhandlungen über Klimaschutzabkommen bilden. Der aktuelle vierte Bericht erschien 2007, die Vorbereitungen für den fünften laufen. Der jetzt festgestellte Fehler gibt den Kritikern des IPCC, die den von Menschen gemachten Klimawandel bezweifeln, neue Nahrung. Erst im Dezember waren in der sogenannten "Climategate"-Affäre E-Mails von Klimaforschern gehackt und Zweifel an deren Glaubwürdigkeit geäußert worden.
Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer, Leiter einer der drei Arbeitsgruppen und ranghöchster deutscher Klimaforscher beim IPCC, will die beiden Ereignisse jedoch nicht in einen Topf werfen. "Die gestohlenen E-Mails waren eine reine Mediengeschichte", sagte er der taz. Der Vorwurf einer Manipulation der Daten im IPCC-Bericht habe sich als substanzlos erwiesen. "Kein Diagramm und keine Zahl aus dem IPCC-Bericht musste deswegen korrigiert werden." Bei der Prognose über die wegschmelzenden Himalaja-Gletscher handele es sich hingegen um einen echten Fehler in Folge der Nichtbeachtung von Regeln, sagte Edenhofer. Die Konsequenz für die zukünftige Arbeit müsse nun eine bessere Kooperation der Arbeitsgruppen sein. "Die internen Abläufe müssen verbessert werden, daran arbeiten wir ohnehin seit einigen Monaten." Zwar könnten Fehler niemals ausgeschlossen werden, aber der Anspruch des IPCC müsse sein, wissenschaftlich wasserdichte Daten als Entscheidungsgrundlage für die Politik zu liefern.
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