: Fehlender Wiedererkennungswert
betr.: „Versöhner zwischen den Fronten“, taz vom 22. 10. 05
Als in Deutschland lebender Mitbürger türkischer Herkunft und EU-Beitrittsbefürworter möchte ich Ihnen gratulieren, obgleich ich den Genozid-Vorwurf strikt ablehne. Ihr Artikel deutet jedoch auf ein tief greifendes Problem im Verhältnis der deutschen Presse zu den hier lebenden türkischen Migranten hin.
Häufig wird uns Migranten vorgeworfen, lediglich die türkische Presse zu verfolgen. Dieser Tatsache muss ich bezüglich der älteren Generation leider voll umfänglich zustimmen und anmerken, dass junge Türken schon wegen Sprachdefiziten kaum türkische Zeitungen lesen, aber deutschen Zeitungen ebenso wenig Beachtung schenken. Hauptursache ist aus meiner Sicht der fehlende Wiedererkennungswert in der deutschen Presse.
Über die Themen EU-Beitritt der Türkei, Ehrenmorde, Kopftuchdebatte und Ähnliches wird in einer stigmatisierenden und verallgemeinernden Form berichtet. Auf der anderen Seite werden Menschen wie Orhan Pamuk oder Necla Kelek gerne als Generalankläger der Türkei, des Islams oder türkischer Traditionen hochstilisiert. Tatsache ist, dass sich der durchschnittliche türkische Migrant weder mit der „Ehrenmord“- noch mit der „Kelek-Fraktion“ identifiziert. In der deutschen Öffentlichkeit entsteht durch diese polarisierte Darstellung ein verzerrtes Bild über die Türken hier in Deutschland. Dieses Zerrbild erschwert meiner Ansicht nach die notwendige Integration. Tatsache ist, die Deutschen wissen nicht, was ihre türkischen Nachbarn bewegt. Langsam glaube ich, es interessiert sie auch gar nicht wirklich. YUNUS SANCAK, Dortmund