Fehlende Umweltgerechtigkeit: Umweltschäden sind ungleich verteilt
Ärmere Menschen leiden besonders unter Umweltbelastungen. Auf dem Kongress über Umweltgerechtigkeit wurden mögliche Lösungen debattiert.
FRANKFURT AM MAIN taz Arme Leute leben häufiger an vielbefahrenen Straßen - obwohl sie seltener ein Auto besitzen. Im Blut der Kinder finden sich höhere Bleikonzentrationen als bei Altersgenossen aus bessergestellten Familien. Und in sozial schwachen Stadtteilen gibt es viel weniger Grünflächen als in Reichenvierteln. Das alles entspricht der Lebenserfahrung - und ist doch wissenschaftlich erst in Ansätzen erforscht.
Während in den USA bereits seit den 80er-Jahren eine Diskussion über Umweltgerechtigkeit geführt wird, ist das Thema in Deutschland relativ neu. Viele Referenten auf dem am Mittwoch zu Ende gegangenen Kongress der Deutschen Umwelthilfe in Frankfurt/Main bekannten, bei ihrer Vortragsvorbereitung zum ersten Mal damit konfrontiert worden zu sein.
Zunächst gilt es darum, Fakten zusammenzutragen. Während es bei Frischwasser, Abwasser- und Müllentsorgung keine qualitativen Unterschiede für Arme und Reiche gibt, sind Kosten und Nutzen des Verkehrs sehr unterschiedlich verteilt. Herbert Brüning von der Stadt Norderstedt wies darauf hin, dass deutschlandweit inzwischen etwa 6.500 Menschen an Herzkreislauferkrankungen sterben, deren Tod Mediziner auf Lärm zurückführen - deutlich mehr, als unmittelbar durch Unfälle ableben.
In der Kommune nördlich von Hamburg sind sieben Prozent der Bevölkerung gesundheitsgefährdenden Lärmbelastungen durch Straßen- und Flugverkehr ausgesetzt, 67 Prozent der Bewohner können nicht ruhig bei offenem Fenster schlafen. Zusammen mit den Einwohnern versucht die Stadtverwaltung, Lösungen zu finden.
Trotz Widerständen von Politikern und Straßenverkehrsbeamten konnten durch Tempo 30, Lkw-Nachtfahrverbote und die Verlagerung von Verkehrsströmen auf eine fast unbebaute Ringstraße schon einige Erfolge erzielt worden. Doch klar ist auch, dass den Anwohnern vieler großer Straßen nur eine massive Verminderung des Gesamtverkehrs wirkliche Entlastung bringen würde.
Benachteiligt sind sozial Schwache auch beim Thema Energieversorgung. Eine britische Untersuchung geht davon aus, dass etwa ein Fünftel der Todesfälle im Winter vermieden werden könnte, wenn die Bewohner in einer wärmeren Wohnung gelebt hätten. Vor allem in Osteuropa gibt es viele "Brennstoff-Arme", die mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Heizung ausgeben müssen.
Für die Subvention von Energie aber plädierte in Frankfurt niemand. Viel sinnvoller sei es, Menschen mit kleinem Portemonnaie beim Sparen zu unterstützen. Die Caritas lässt inzwischen kostenlose Energiesparlampen durch ehemalige Arbeitslose an Hartz-IV-Haushalte verteilen. Bei der Raumwärme dagegen verhindert die Regelung, dass maximal elf Prozent der Sanierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen, vielerorts den Umbau. Dabei ließen sich die Nebenkosten durch Dämmung vielfach deutlich stärker senken. Profitieren könnten die Mieter, die Wohnungseigentümer - und die Umwelt.
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