theater : Fast mit dem Holzhammer
Ein junger Mann, allein nach durchzechter Nacht. Er tanzt im wilden Nachtrausch, wirft mit Flaschen, wechselt hektisch die Musik. Die Atmosphäre wird aggressiver, die Stimmung des Mannes verzweifelter. Verzweifelt, weil er nicht weiß, wer er ist, was er tun soll: „Es herrscht ein entsetzlicher Müßiggang.“
So beginnt in der Kölner Orangerie Georg Büchners „Leonce und Lena“. Die Geschichte von zwei jungen Adligen, die aus Gründen der Staatsräson heiraten sollen, es nicht wollen, sich dann doch verlieben. Eine Geschichte, die so recht keine richtige Handlung hat, die mit den Mustern der Verwirrungskomödie spielt und der Inhaltslosigkeit der Sprache. Und dabei die sozialpolitischen Verhältnisse ihrer Entstehungszeit (1836) aufgreift, in der Individuen und Gruppen ihre neue Position in der Gesellschaft suchten.
Regisseur Daniel Schüssler verlegt die Handlung in unsere Zeit und nennt das Stück „L + L Wasted Time“. Das liegt nahe angesichts unfähiger Politiker, des Kampfes um Arbeitsplätze, weit verbreiteter Hoffnungslosigkeit, der Unfähigkeit, Zeit sinnvoll zu füllen, den alltäglichen Sprachhülsen. Die Aufführung zeigt dieses Umfeld anfangs fast mit dem Holzhammer.
Ausnahmslos überzeugend die Schauspieler: Daniel Schüssler als grüblerischer Leonce, Sandra Kouba als kokette Lena, Ian Halcrow als amtsmüder König Peter und Marko Sprinz sowie der zynisch grinsende Berater Valerio.
Etwas zu kurz kommt Maria Steurich als Ex-Geliebte Leonces. Sie tritt nur per Video auf, wobei der Einsatz dieses Mediums, zuletzt im Übermaß auf deutschen Bühnen zu beobachten, hier als Mittel des Rückblicks einmal Sinn macht.
So richtig fesselnd ist das alles allerdings nicht. Nicht nur wegen des allzu häufigen Schreiens auf der Bühne, für das die Akustik der Orangerie nicht gemacht ist. Da fehlt Georg Büchners Poesie, da schwankt die Inszenierung unentschlossen zwischen Parodie und kalter Abrechnung. Die Zeiten sind kalt – doch ein Stück dazu darf nicht kalt sein. Trotzdem: Vergeudete Zeit, wie der Titel suggeriert, ist dieser Theaterabend nicht. JÜRGEN SCHÖN
„Leonce und Lena“, Termine: heute und morgen, 21 Uhr, Orangerie im Kölner Volksgarten, Volksgartenstraße 25, Tel. 0221/952 27 08