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Fast alle einig

■ Soundgarden und Tad in Hamburg

Wenn sie kommt, die in Smalltalks gern hingeworfene Frage, welche Musik man denn höre, dann wird es gefährlich ungenau. Ließe man sich nämlich zur größtenteils zutreffenden, gesprächsabkürzenden Teilantwort hinreißen, daß alle Formen von Rock und Rockismus das Gegenteil des guten Musikgeschmacks seien, so hätte man zwar hübsch provoziert, aber auch unter anderem Soundgarden unter den Teppich gekehrt. Da, und da sind sich von Spex bis zur Dosenbierfraktion fast alle einig, gehören sie nicht hin. Trotz ihrer unbestreitbaren Rockismen. Die allerdings in voller Blüte erst seit neuerem, sprich der neuen LP Superunknown (kleiner Scherz) zum Tragen kommen, und dafür sorgten, daß sich der große Apparat der bekannten Hörmustern verhafteten Presse auf diese „interessante progressive Gen-re-Band“ stürzte, die ihren Hörmuskel gerade soviel reizte, daß es nicht zu weh tat.

Soundgarden kommen aus Seattle und gehören zu der handvoll Bands, die dort mit unfriesierter Musik einen Beginn wagten. Sie waren stets die metallischsten, die epischsten, die schönsten, coolsten und langhaarigsten von allen. Sie schrieben Worte, die wie die fliehende Härte ihrer brustöffnenden Stücke klangen und in der Einheit des Klanges der eitlen Schönheit selbstverständlicher Egozentrik ein neues Maß gaben, von dem sich auch der solchen Ansätzen verfeindete Underground-Journalismus hinreißen ließ.

Gerade der. Wohl auch, weil das erste vollständige Album der Vier auf dem damalig innovativsten Label überhaupt, SST, erschien, focussierte niemand unnötig auf den großen Rockgürtel, sondern nur auf die vielen Risse und das über den -ismen schwebende Selbstverständnis, das aus den Rillen atmete. Diese Situation hat sich 1994 in einigem Bereichen nicht verändert, noch immer lebt viel Akzeptanz durch das Wissen um den Gründerstatus – und die schnurrig-fauchige Schönheit der ewigen Musik begründet alle Eitelkeit.

Soundgardens Musik, diese metallisierte Psychedelik, hat im Verlauf der Zeit immer vertrautere Muster angenommen, mittlerweile sind die Querverweise zu den unbezwingbaren Dinosauriern der 70er Jahre beinahe aufdringlich. So zieht der Rezipientenkreis immer größere Runden und aus dem längst versiegten, gegenseitigen Seattler Befruchtungsprozeß ist etwas vereinzeltes geworden, was Karriere genannt wird.

Da stehen Soundgarden mit dieser Tour auf einem Punkt, wo sie sich, trotz fehlender Radiotauglichkeit und Hitsingle, mit einem Bein im Rockstardasein wiederfinden, die austauschbaren Größen Promotion/Presse taten ihre Arbeit gut. Daß ein Soundgarden-Konzert dennoch nicht zum gemeinsamen Herunterbeten von Verhaltens- und Erfahrungsmustern wird, dafür sorgt die quälende Dehnung, Übersteuerung und Vernichtung der eigenen Zugänglichkeit, die die Band ihrem Material angedeihen läßt. Statt ihr Publikum durch offenkundige Spielfreude und gute Laune zu unterhalten, wird, verrannt in den eigenen Zirkel, endlich (und nur dort) des Bassisten Empfinden der eigenen Musik eingelöst: für Ben Shepard sind Soundgarden eine „heavy and electric version of Jazz“.

Begleitet wird das Quartett vom dicken Tad Doyle. Nachdem dieser seinen vorletztmonatlichen Auftritt in der Fabrik absagte, kommt Tad (aus Seattle) mit seinem gemeinen Gute-Laune-Rock nun auf diesem Wege zur Live-Erklärung von Inhaler. Das fünfte Album der Band hat J. Mascis produziert und so gründlich froh klingt Inhaler dann auch: musikalische Ganzkörpermassage, nicht nur für Schwangere.

Holger in't Veld

5.4., Docks

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