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■ StandbildFast Unsterblichkeit

„Trabi forever“,

ARD, Mittwoch, 21.45 Uhr

Die Zweitakt-Zombies kommen. Auferstanden aus Ruinen, knattert das Plastemobil Marke Trabant als eines der letzten DDR-Symbole durch die blühenden Landschaften. Sinnigerweise ertönt Walzermusik (kein Zweivierteltakt) – auch das k. u. k. Reich mußte untergehen.

Immerhin: von den 3 Millionen produzierten Baumwoll- und Phenolharz-Karossen soll noch ein Drittel fahrtauglich sein. „Das ist fast die Unsterblichkeit“, raunt der bedächtig fahrende Reporter Eckhard Garczyk. Im kleinkarierten Anzug, mit Rauschebart und lockeren Sprüchen („irgendwie haben alle Trabi-Fans einen an der Hacke – ich meine das durchaus liebevoll“) wirkt er wie ein altmodischer Impressario, der auf Tour geht, um neue Zirkusattraktionen zu sichten. Manege Deutschland: in Dietmar Looges Werkstatt streunen Löwinnen umher, die einem Zuhälterduo zu groß geworden sind. Dazwischen baut er Trabis zu rollenden Grillbuden um – für satte 40.000 Märker.

Der Mythos und der Mensch durchzogen als tragende Teile die Reportage. Maschinen, Masse – und dazwischen Individualisten. Der 86jährige mit Panzerführerschein („aber ich fahr' jetzt nur noch Pkw“), das Rentnerpaar mit dem ambulanten Spargelverkauf ab Ladekante oder der Duroplast- Gourmet mit dem selbstgebauten roten Pullman-Cabrio, in dem sich der Reporter fürstlich abfilmen läßt. Irgendwie urgemütlich – eine kokette Nischenreportage mit aufgekrempelten Hemdsärmeln.

„Aber langsam fahren – det können wir“, lacht ein Trabibastler. Zwischendrin setzen Fabrikszenen harte Kontraste. Da gehen Lackierer ohne Maske mit dem Schlauch an die Giftfront – weil die Werksroboter nicht so richtig sauberspritzten. Das Werk sieht selbst aus wie eine zu groß geratene, altmodische Bastlerwerkstatt.

Die größte Enttäuschung für die angereisten Fans war der „Trabi-Tag“ in Zwickau: 10.000 Autos, aber keine Besitzer. Die reine Plaste-Show vom Kübel bis zum Monstertruck. Irgendwie muß das die Wende sein. Statt Kungelei und Kreativität der nackte Materialismus. Trabis zwischen Solidaritätsbeige und Siebziger-Jahre-Pop. Gesellschaftlicher Umbau als postmodernes Designerspiel oder: Wie die Trabis lernten, das Leben zu lieben. Dieter Deul

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