: Fanny Müller: Feuerwehr II
Sie wissen ja, wie das ist. Erst ist man eine Riesenfamilie von fünfzig, sechzig Personen und dann geht es los: Oma und Opa verabschieden sich. Tanten „verreisen“. Ein Onkel nach dem anderen macht Feierabend. Vettern geben reihenweise den Löffel ab.
Und die paar Übriggebliebenen sitzen da und müssen den Nachlaß ordnen. Nämlich ich. Zuletzt den von Onkel Albert, weiland Kreisbrandmeister und vor vierzehn Tagen eingegangen in das Große Spritzenhaus.
Nach der Grobsortierung amüsierte ich mich erstmal damit, die verschiedenen Helme des Verblichenen aufzuprobieren (standen mir nicht) und in Tante Lisbeths Poesie-Album zu blättern: „Ich saß mal in der Laube, da flog mir was ins Auge, ich dacht' es wär ein Edelstein, da war's das liebe Jesulein.“ Aber dann fiel mir das „Handbuch für den Feuerwehrmann“, 14. neu bearbeitete Auflage 1984, in die Hände. Mit glühenden Wangen las und las ich bis zum späten Abend. Mein Urteil: Ein Schatzkästlein prä-semantischer Ausdruckskraft. Sätze von ergreifender Schönheit wechseln in heiterer Folge mit... Aber urteilen Sie doch bitte selbst: „Sinnloses Draufgängertum und Kopflosigkeit führen niemals zum Erfolg“, S. 367.
Wie wahr! Allerdings frage ich mich, wie wir auf andere Art und Weise die deutsche Einheit geschafft hätten. Aber zurück auf Seite 364: „Bei Fahrten im geschlossenen Wagen darf kein Wettrennen einsetzen und ein Fahrzeug das andere überholen wollen.“ (Erster, Erster, Herr Brandmeister, wir waren Erster!)
Berücksichtigung findet auch der Umweltschutz, wobei die Fallstricke der deutschen Grammatik kühn umschifft werden, wenn Sie mir diese Metapher mal so durchgehen lassen wollen: „Wie soll man mit Wasser umgehen? Sparsam. Der Rohrführer sollte so damit umgehen, als wenn er jedes Liter Wasser selbst bezahlen müßte.“ Fehlt noch: und jedem Kilo Schaum.
Poetisch wird's dann bei den lebensrettenden Maßnahmen. Schlicht der Anfang (Ladies first usw. laß ich mal weg): „Wie verhalten wir uns bei der Rettung von Vieh?“ (S. 373) „Die Rettung des Viehs ist nicht immer einfach.“ Das stimmt. Die streben nämlich immer in den Stall zurück, was auch erwähnt wird. Es folgt eine Aufzählung möglicher Methoden: „Bei Schafen den Leithammel herausführen, alle anderen folgen größtenteils“, die in dem schönen Satz gipfelt: „Federvieh kann man in Säcken stecken.“ Ob nun wegen des Reims oder nicht, da dürfte es jedenfalls keine Schwierigkeiten geben. Bei allen Bränden, denen ich bisher beiwohnte, war ein Mangel an alten Säcken, die da herumstanden, gewiß nicht zu beklagen! (Anruf des verantwortlichen Redakteurs bei der Autorin.
Red.: Frau Müller, Sie sollten Ihren Text vielleicht noch mal auf, äh, Männerfeindlichkeit hin abklopfen...
FM: Das mit den alten Säcken steht schon in der Bibel!
Red.: Was??
FM: Ja. Neuer Wein in alten Säcken. Oder so.
Red.: Ja, dann...)
Doch zuguterletzt sind auch Spiel und Spaß mit von der Partie. Auf die Frage: „Wie schützen wir uns vor Hitzestrahlung?“ lautet die richtige Antwort: „Kopfschutzhaube und Hitzeschutzhandschuhe“.
Sagen Sie das bitte 10 x hintereinander fehlerlos auf! – Na? Auch bei Hitschehutsch steckengeblieben? Macht nix. Der Schwierigkeitsgrad ist schließlich weitaus höher als bei „Rotkraut bleibt Rotkraut und Brautkleid breibt Blautkreid“. Ich hab's ausprobiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen