Faninitiative gegen Homophobie: Das verbesserte Kurvenklima
Die Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ will bald mehr anbieten als ein buntes Banner. Man will sich professionalisieren.
AACHEN taz | Am 17. September 2011 hatte der Hamburger SV ein Heimspiel, das weiß Christian Rudolph noch, aber bei den Details wird er schon unsicher: Gegen wen der HSV gespielt hat? „Ich glaube, gegen Gladbach.“ Es ging für Rudolph ja nicht um das Spiel, ihm war vielmehr ein Banner wichtig, das in der Hamburger Fankurve hing, eine Botschaft auf sechs Quadratmetern Stoff: „Fußballfans gegen Homophobie“ stand da in weißer Schrift auf lilafarbenem Grund.
„Fußballfans gegen Homophobie“ – so heißt die Initiative, deren Mitgründer, Sprecher und Koordinator Christian Rudolph ist, ein 29 Jahre alter Berliner mit Kapuzenpullover und Vollbart. Das Bündnis hat zuerst nur im Kleinen gewirkt, vor allem in der Fanszene von Tennis Borussia Berlin, der auch Rudolph angehört.
Auch bei Spielen von Victoria Hamburg, Arminia Hannover oder dem FC St. Pauli hing das Banner, doch seitdem es am 17. September 2011 zum ersten Mal bei einem Bundesligaspiel zu sehen war, bewegt sich die Kampagne auf einer größeren Bühne. „Das HSV-Spiel war schon so eine Art Knackpunkt“, sagt Christian Rudolph.
Seitdem ist die Botschaft gegen Hass auf Schwule und Lesben sozusagen auf Tournee durch Deutschland: Das Banner hing im Stadion des 1. FC Nürnberg, von Schalke 04, im ehemaligen Westfalenstadion in Dortmund, und es war sogar in der Münchner Arena beim Finale der Champions League zu sehen.
Gewinn an Prominenz
Die Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ ist also dabei, bundesweit Bekanntheit zu erlangen, doch der Gewinn an Prominenz bringt auch Aufwand mit sich: Schulen und Universitäten zum Beispiel wenden sich an das Bündnis, weil sie Informationsmaterial haben wollen zur Situation von schwulen und lesbischen Fußballfans in Deutschland oder weil sie Vertreter der Kampagne für Vorträge gewinnen wollen.
Die Initiative muss sich professionalisieren, deshalb hatten Christian Rudolph und seine Leute am Wochenende zum Netzwerktreffen nach Aachen geladen, und mit dem Zuspruch waren sie höchst zufrieden: Mit 30 Leuten vielleicht hatten sie gerechnet, aber es es waren dann bestimmt 60 Fans angereist. Sie kamen zum Beispiel aus Hamburg und Bremen, und natürlich waren neben Rudolph weitere Mitglieder der Fanszene von Tennis Borussia Berlin da.
Eines der Ergebnisse des Treffens: Die Initiative will eine Broschüre herausgeben, Auflage: 10.000 Stück. Sie soll in Bundesliga-Stadien ausliegen und darüber aufklären, welche Formen der Abneigung gegen Homosexuelle es beim Fußball gibt und was man zum Beispiel machen kann, wenn im Fanblock jemand auf „Schwuchteln“ schimpfe oder schwulenfeindliche Plakate zeigt. So wie im März, als beim Spiel Borussia Dortmund gegen Werder Bremen auf der Dortmunder Südtribüne ein homophobes Transparent gezeigt wurde.
Insgesamt hat Christian Rudolph aber beobachtet, dass im deutschen Fußball ein Problembewusstsein für Hass auf Homosexuelle entstanden ist: „Das ist ganz anders als noch vor zehn Jahren“, sagt er und verweist auf die Arbeit der Queer Football Fanclubs, dem Zusammenschluss der schwul-lesbischen Fanklubs in Europa, die zu einem toleranteren Klima in den Fankurven beigetragen habe.
Der Ton der Diskussion
Auch ist zuletzt ja wieder intensiver diskutiert worden über Homosexualität im Fußball. Christian Rudolph stört sich allerdings am Ton der Diskussion: Die Öffentlichkeit interessiere vor allem, welche Bundesliga-Profis schwul seien, sagt er: „Das hat was von einer Hetzjagd.“ Rudolphs Initiative dagegen möchte die Debatten auf den Kern des Problems lenken, nämlich den Hass gegen Schwule und Lesben beim Fußball.
Das Banner mit der Aufschrift „Fußballfans gegen Homophobie“ bleibt dabei ein zentrales Werkzeug: „In der Hinrunde ist es für fast alle Wochenenden schon gebucht“, erzählt Christian Rudolph. Und auch für die Rückrunde hätten schon erste Fan-Gruppen angefragt, die das Banner bei sich im Stadion aufhängen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen