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Familienplanungszentrum eröffnet

■ Frauenministerin Waltraud Schoppe bricht mit frauenfeindlichen Traditionen

Ein überfälliges Gesetz über den ambulanten Schwangerschaftabbruch hat der niedersächsische Landtag vor drei Tagen verabschiedet. Nun wird am Montag in Hannover das erste „Familienplanungszentrum“ der Pro Familia eröffnet. In der Betreuung für Schwangere und der Sexualberatung arbeitet das Zentrum schon seit Wochen. Doch als einzige Einrichtung der Pro Familia in Niedersachsen will die Einrichtung demnächst auch die Möglichkeit zum ambulante Schwangerschaftsabbruch anbieten.

Mit dem neuen Gesetz ist es möglich, in Niedersachsen einen Bedarf zu befriedigen, der schon seit der Reform des Paragraphen 218 im Jahr 1976 besteht: 80 Prozent aller betroffenen Frauen wollen einen ambulanten Eingriff. Doch Frauen aus Niedersachsen mußten dafür bisher in andere Bundesländer oder gar ins Ausland fahren. Wie sonst nur noch in Bayern und Baden-Würtemberg war der ambulante Abbruch bisher verboten.

Das Familienplanungszentrum ist in einem Ärztehaus in der Brühlstraße in Hannover untergebracht. Seine zehn MitarbeiterInnen beschäftigen sich nicht nur mit Schwangerschaftsabbrüchen, sondern wollen umfassend in Sachen „Familienplanung, Sexualität und Schwangerschaft“ helfen und beraten. Dazu gehören Informationsveranstaltungen für Schulklassen und Jugendgruppen ebenso wie die Beratung kinderloser Paare oder die Verhütungsberatung durch einen der beiden Ärzte. Ambulante Schwangerschaftsabbrüche will das Zentrum ab dem 1. April vornehmen können. Ab dann tritt das von Frauenministerin Waltraud Schoppe auf den Weg gebrachte Gesetz in Kraft, und bis dahin will Pro Familia auch von der Bezirksregierung Hannover die gesetzliche Zulassung erhalten haben.

„Für uns ist immer die Entscheidung der Frau über Schwangerschaft oder Abbruch maßgeblich“, erklärt Karin Helke, Sozialarbeiterin im Zentrum, das Konzept. Für die vorgeschriebene Sozialberatung stehen zwei SozialarbeiterInnen bereit, die Indikation stellt einer der beiden Ärzte. Frühestens drei volle Tage später darf dann der andere Arzt den Schangerschaftsabbruch vornehmen. „Für den Abbruch selbst wird ein Aufenthalt von etwa eineinhalb Stunden notwendig sein“, erläutert Karin Helke. Der Abbruch nach der Absaugmethode dauert nur etwa zehn Minuten. Während der gesamten Zeit werde sich stets dieselbe Betreuungsperson um die Frau kümmern.

Bei der Diskussion um das Gesetz im Landtag war zwischen der Regierungskoalition und der Opposition strittig, ob alle entsprechend qualifizierten ÄrztInnen oder nur gynäkologische Fachärzte ambulante Abbrüche vornehmen sollten. Die von Pro Familia vertretene und von der Regierungsmehrheit beschlossene Position war allerdings eindeutig. „Das, was an Qualifikationen für den ambulanten Schwangerschaftsabbruch notwendig ist, wird in der gynäkologischen Facharztausbildung nicht gelehrt“, sagt Karin Helke. Es komme vielmehr darauf an, daß Ärzte mit ambulanten Abbrüchen Erfahrungen hätten. Im Hintergrund des Streites habe in Wirklichkeit das Geld gestanden: „Wir sind eben auch eine Konkurrenz für die niedergelassenen Gynäkologen.“ Nach Auskunft des Frauenministeriums gibt es schon jetzt bei den niedersächsischen Bezirksregierungen eine ganze Reihe von Anträgen auf Zulassung zum ambulanten Schwangerschaftsabbruch. Pro Familia will, falls sich das Modellvorhaben in Hannover bewährt, weitere Familienplanungszentren in Niedersachsen einrichten. taz

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