Familienfreundliche Arbeitszeiten: Schröder will's freiwillig
Die Wirtschaft soll per Selbstverpflichtung familienfreundliche Arbeitszeiten ausbauen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung ist skeptisch.
BERLIN taz/reuters | In einer "Charta für familienbewusste Arbeitszeiten" haben sich führende Wirtschaftsvertreter und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Dienstag zur Förderung innovativer Arbeitszeitmodelle und zum Ausbau der Kinderbetreuung verpflichtet. Fortschritte bei der Arbeitszeitgestaltung seien auch ein Schlüssel, um mehr Frauen in Führungspositionen der Unternehmen zu bringen, sagte die ebenfalls anwesende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie rügte es als skandalös, dass der Frauenanteil in Führungspositionen trotz der vor zehn Jahren abgegebenen Selbstverpflichtung nicht gestiegen sei.
Neben Schröder haben Vertreter verschiedener Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Charta für familienbewusstere Arbeitszeiten unterzeichnet. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt betonte, dass schon jetzt 95 Prozent aller Unternehmen Modelle zur Arbeitszeitflexibilisierung anböten, man aber weiter vorankommen werde.
Alexander Herzog-Stein, Arbeitszeitforscher bei der Hans-Böckler-Stiftung, sieht die Bemühungen der Unternehmen kritischer. "Bei der Arbeitszeit wird seit Jahren immer weiter flexibilisiert, aber immer nur zugunsten der Arbeitgeber", sagte er der taz. Es hätte immer wieder Bemühungen auch vonseiten der Politik gegeben, familienfreundliche Unternehmen auszuzeichnen, "aber in der Summe sieht man davon nicht viel". Die Politik könne die Wirtschaft aktiver zu einer Umgestaltung drängen, wenn sie Beschäftigungsverhältnisse wie den Minijob nicht zuließe und den Frauenanteil in Führungspositionen durch eine Quote erhöhe. Herzog-Stein: "Wenn Frauen eingestellt werden müssen, dann fangen Arbeitgeber an, attraktivere Arbeitsbedingungen anzubieten."
Ministerin Schröder und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatten die Initiative "familienbewusste Arbeitszeiten" im Oktober 2010 ins Leben gerufen. Im Frühjahr 2013 wollen die Unterzeichner der Charta Bilanz ziehen.
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