Kommentar Vereinbarkeit Familie und Beruf : Und die Siegerin heißt ?

Eine freiwillige Selbstverpflichtung für die Wirtschaft ist keine "moderne Lösung", sondern alte Schröder-Rhetorik. Profitieren könnte eine andere CDU-Frau.

Wir freuen uns, an dieser Stelle auf eine wegweisende Vereinbarung der Bundesregierung mit Spitzenverbänden der Wirtschaft hinzuweisen. Letztere haben freiwillige - aber entschiedene! - Schritte zugesagt, um die Chancengleichheit von Frauen und Männern in Unternehmen zu stärken. Mehr noch, sie wollen - aktiv! - Ideen entwickeln, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Die Regierung bewertete dies als "Durchbruch".

Es war die von Gerhard Schröder (SPD) geführte rot-grüne Koalition, der diese rhetorische Meisterleistung 2001 gelang. Wenn nun, zehn Jahre später, Kanzlerin Merkel und ihre Familienministerin Schröder erneut eine wolkige Selbstverpflichtung der Wirtschaft als moderne Lösung verkaufen, ist das eine Frechheit. Und es beweist, dass die Kanzlerin ihr feines Gespür für gesellschaftliche Stimmungen in Sachen Beruf und Familie im Stich lässt.

Denn dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen trotz aller Selbstverpflichtungen verschwindend gering bleibt, dass flexible Teilzeitmodelle für Eltern weiter die Ausnahme sind, dass Firmen bei alldem die Symbolpolitik herzlich egal ist, haben längst auch junge CDU-affine Wählerinnen und Wähler erkannt.

Verstand Merkel es bisher, die stetige Modernisierung ihrer Partei voranzutreiben, indem sie etwa die Elternzeit-Regelung nicht verhinderte, agiert sie jetzt gestrig. Und versuchte die Debatte um Frauenquoten in Aufsichtsräten mit einem Machtwort zu unterbinden. Doch die Diskussion in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit geht munter weiter, als hätte Merkel wie so oft geschwiegen.

Die Kanzlerin fällt hinter die Realität zurück. Anstatt die aktuelle Diskussion zu gestalten, hat sie sich fürs Abwarten, Verschieben, letztlich fürs Ignorieren entschieden. Profitieren kann davon die CDU-Frau, die irgendwann selbst Kanzlerin werden will. Und die im Vergleich mit Merkel gerade sehr modern aussieht: Quoten-Befürworterin Ursula von der Leyen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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