: Falsche Hoffnungen auf den Tenno
■ Berliner Senat erhofft sich vom Besuch des japanischen Kaisers Akihito mehr, als er bringen kann / Hysterie um vermeintlichen Rückzug japanischer Unternehmen / Gegenkundgebung vor Humboldt-Uni
Der Schreck saß tief. Fast ein Drittel der rund 50 japanischen Unternehmen sollen Berlin schon wieder den Rücken gekehrt haben. Die Nachricht kam vor rund einem Monat aus bestinformierter Quelle, von Makoto Kobara, Generaldirektor der japanischen Außenhandelsorganisation in Berlin. „Die Japaner laufen uns weg!“ posaunte danach auf deutscher Seite die B.Z. – und nicht nur sie. Der japanische Kaiser Akihito, der morgen mit seiner Frau Michiko in Berlin eintrifft, wird auf den vermeintlichen Rückzug der japanischen Wirtschaft jedoch nur wenig Einfluß haben.
Der Besuch des Tenno und das Verhalten der japanischen Wirtschaft in Berlin – „das hat nichts miteinander zu tun“, meint Seiji Tanabe fast ein wenig belustigt. Der Korrespondent der Nikkei- Zeitung, einem Wirtschaftsblatt, rät ab, Investitionspläne und die Förderung der deutsch-japanischen Beziehungen durcheinanderzubringen. Der Besuch, so Tanabe, „ist kein Anlaß für japanische Investitionen“ – auch wenn das „vielleicht Diepgens Hoffnungen“ sind. Der Kaiser ist das „Symbol Japans“, so erläutert der stellvertretende Generalkonsul N. Tokuda. Die Verfassung verbiete ihm, eigene politische Aussagen zu machen. Alles, was der Tenno sagt, kommt eigentlich aus dem japanischen Außenministerium.
Indes hätte der Kaiser es kaum nötig, in Berlin um gut Wetter anzuhalten. Denn im Gegensatz zu manch hysterischer Reaktion nimmt das japanische Engagement der Tendenz nach in Berlin immer noch zu. Seit 1989 stieg die Zahl der Nippon-Unternehmen von 16 auf 38. Allerdings sind es keine 50 mehr, wie Berlins Senatssprecher Michael-Andreas Butz noch gestern mitteilte. Ein gutes Dutzend japanischer Unternehmen hat tatsächlich seine Repräsentanzen geschlossen oder zumindest keinen japanischen Vertreter mehr in Berlin. Aber dabei handelt es sich eben nur um Büros, sagt Seiji Tanabe von der Nikkei-Zeitung, die schon vorher „nur Informationen über den Osten Deutschlands sammelten“. Tatsächliche Firmengründungen gab es überhaupt nur eine seit der Wende: Die Sony Berlin GmbH, die bekanntlich am Potsdamer Platz dreistellige Millionenbeträge investiert.
Dennoch schlug die Berliner Hysterie auch in der japanischen Gemeinde „ziemlich hohe Wellen“, so ein Insider. Die Reaktion sei eine sanfte Mißbilligung der forschen Aussagen von Makoto Kobara gewesen. Japanischer Gesprächspartner in Wirtschaftsfragen ist künftig Munehisa Takeya, Vize-Präsident der japanischen Industrie- und Handelsvereinigung in Berlin. Aus seinem Hause kommt nun die offizielle Sprachregelung zu den „allgemeinen Mißverständnissen über die hiesigen Aktivitäten japanischer Unternehmen“. Danach ist der Rückzug moderat und betrifft meist „Repräsentanzen“. Zum anderen sei er mehr auf die wirtschaftliche Schwäche Japans allgemein zurückzuführen. Selbst in der größten japanischen Gemeinde in Düsseldorf hätten seit der Rezession über 1.000 JapanerInnen die Heimreise angetreten.
Kaiser Akihito kommt also nicht als Wirtschaftsbotschafter, sondern als Kulturvermittler und Staatsgast. Das aber reicht einer anderen Gruppe wiederum nicht. Der Tenno solle sich distanzieren von der Kontinuität der Kaiserdynastie. Sein Vater, der im Jahre 1989 verstorbene Hirohito, sei „Faschist und Oberbefehlshaber im Eroberungskrieg gegen China“ gewesen, verlautbarten Vertreter japanischer und deutscher Anti- Faschisten gegenüber der taz.
Akihito versuchte, sich von dem Gehabe um sein Amt abzusetzen. Er studierte Politik und Volkswirtschaft. Er ist mit einer Bürgerlichen verheiratet. In China, das er als erster aus der Kaiserdynastie besuchte, machte er die japanischen Kriege zum Thema – ohne sich freilich zu entschuldigen. Das reicht den Antifas nicht. Morgen um 18 Uhr vor der Humboldt-Universität wollen sie ihre Kritik kundtun.
Gleichzeitig soll auch in Tokyo eine Demonstration gegen den Besuch des Kaisers „bei den Achsenmächten“ stattfinden, teilten Anti- Monarchisten aus Japan mit. Der eigentliche Zweck des Besuchs sei, sich endgültig reinzuwaschen von der Verantwortung für den japanischen Imperialismus. Christian Füller
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