Falsche Hirntod-Diagnosen: Tödliche Organentnahmen
Die für Organentnahmen vorgeschriebene Hirntodfeststellung wird in deutschen Kliniken nicht immer korrekt durchgeführt. Die Ärztekammer wiegelt ab.
![](https://taz.de/picture/122478/14/organspende_herz_dpa_taz_feb2014.jpg)
MÜNCHEN afp | In deutschen Kliniken gibt es nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung immer wieder Fälle, in denen Menschen fälschlicherweise für hirntot erklärt werden. Es komme immer wieder zur Ausstellung von Totenscheinen, ohne dass der Hirntod nach den dafür vorgesehenen Richtlinien diagnostiziert worden sei, berichtete die SZ am Dienstag unter Berufung auf ihr vorliegende Unterlagen. Ursache sei eine unzureichende Ausbildung der Ärzte, die den Hirntod feststellen.
Die SZ nannte unter anderem den Fall eines Kleinkindes, bei dem Organe für die Transplantationsmedizin entnommen worden seien, ohne dass der Hirntod richtig diagnostiziert worden sei. In acht weiteren Fällen aus den vergangenen drei Jahren wurden demnach die Fehler gerade noch rechtzeitig vor der Organentnahme entdeckt.
Der Hirntod wird dem Bericht zufolge in Deutschland pro Jahr bei etwa 2.000 Menschen diagnostiziert. Die unzweifelhafte Feststellung des Hirntodes ist nach dem deutschen Transplantationsgesetz die Voraussetzung für eine Organspende.
Für Laien ist der Hirntod oft schwer nachvollziehbar, weil der Verstorbene zumeist keines der allgemein bekannten Todeszeichen aufweist. Mittels Maschinen und Medikamenten schlägt sein Herz, er atmet nur vermeintlich.
Für die Diagnose des Hirntodes gelten umfangreiche Richtlinien der Bundesärztekammer. Unter anderem muss er von zwei dafür qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden. Alle Umstände, die das Gehirn nur betäuben wie Medikamente, eine zu niedrige Körpertemperatur, ein Koma oder eine Vergiftung, müssen ausgeschlossen werden.
In mehreren der Zeitung vorliegenden Fällen wurde der Hirntod festgestellt, obwohl die Patienten gerade erst mit starken Schmerzmitteln betäubt worden seien. Auch andere Fehler kamen demnach vor, etwa ein nicht korrekter Test auf Atemstillstand. Dabei seien die Fehler nicht nur in kleinen Krankenhäusern gemacht worden, sondern auch an Universitätskliniken und in Fachabteilungen.
Ärztekammer sieht kein Problem
Die Ärztekammer hält die Qualität der Hirntoddiagnostik für ausreichend. Diese sei „gesichert und hoch“, zitierte die Zeitung aus einer Stellungnahme der Vorsitzenden der drei bei der Bundesärztekammer angesiedelten Kontrollkommissionen des Transplantationswesens.
In den vergangenen Jahren sei es nur in zwei Fällen nach einer regelwidrigen Hirntodfeststellung auch zur Organentnahme gekommen, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Rainer Hess, der SZ. Beide Male habe sich später gezeigt, dass die Spender bei der Organentnahme tatsächlich hirntot gewesen seien.
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