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Die langjährige Vernachlässigung der Ausländer in der Bundesrepublik durch politische Parteien setzte bei der ausländischen Minderheit eine Eigendynamik frei. Ausländer organisierten sich, gründeten Interessengemeinschaften, Initiativen und politische Vereinigungen. Die Föderation der Emigranten aus der Türkei (GDF), die Föderation sozialdemokratischer Volksvereine in Europa (HDF), der Verband der griechischen Gemeinden, der spanische Elternverband, der marokkanische Arbeiterverein – das sind nur einige Beispiele.

Die ersten ausländischen Vereine, die eine intensivere Zusammenarbeit mit deutschen Parteien anstrebten, waren italienische. Ihnen folgten türkische Interessenverbände, die sich in erster Linie der Sozialdemokratischen Partei zuwandten. Hier wurden die Interessen der sich vornehmlich aus der Arbeiterschicht rekrutierenden Türken eher wahrgenommen als bei anderen deutschen Parteien. Die Föderation der sozialdemokratischen Volksvereine pflegt seit 1986 enge Beziehungen zur SPD.

Auch konservative Strömungen gewinnen innerhalb der türkischen Minderheit zunehmend an Boden. Die Freiheitliche Türkisch-Deutsche Freundschaftsgesellschaft (Hürtürk) repräsentiert unter den konservativ orientierten Türken die wichtigste Gruppe. Sie wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der CDU unterstützt und finanziell gefördert. Diese Organisation hat auf regionaler und überregionaler Ebene CDU-Politiker in die Vorstände gewählt, in denen auch türkische Unternehmer vertreten sind und an Entscheidungen mitwirken. Politisch steht die Organisation rechts von der Mitte.

Die Liberale Türkisch-Deutsche Vereinigung (LTD), die sich im November 1993 gegründet hat, ist die jüngste türkische Organisation in Deutschland. Die LTD, die sich für die Freiheit des Individuums und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden einsetzt, strebt in erster Linie eine Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Türken auf wirtschaftlicher Ebene an. Sie arbeitet aber auch sehr eng mit der FDP zusammen. Viele FDP- Politiker wurden in den LTD-Vorstand berufen.

Die Grünen versuchen bereits seit Jahren, die Interessen der ausländischen Minderheit in ihre Zielsetzungen einzubinden. Die baden-württembergische Landesliste von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl am 16. Oktober wird von einem Türken mit deutscher Staatsangehörigkeit angeführt.

Während sich noch in den achtziger Jahren rund 80 Prozent der wahlberechtigten Türken für die Sozialdemokraten entschieden, ist dieser Trend in den neunziger Jahren rückläufig. Schon 1986 ergab eine Befragung des Zentrums für Türkeistudien, daß sich 63 Prozent der befragten Türken bei Kommunalwahlen für die SPD entscheiden würden. Die übrigen 37 Prozent entschieden sich entweder für andere Parteien oder zeigten kein politisches Interesse.

Die Rolle der Ausländer bei den Wahlen in Deutschland gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es zeigt sich, daß unter den Migranten die Neigung zur Übernahme der deutschen Staatsbürgerschaft rapide steigt. Derzeit bemühen sich vorwiegend zwei deutsche Parteien um die Sympathie der Ausländer: Bündnis 90/Die Grünen und die PDS. Die PDS wirbt sogar in den muttersprachlichen Medien der Minderheiten für politische Ziele und ruft zum Parteieintritt auf.Faruk Sen

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