Fahrradstraße: Radler drängen auf die Überholspur
Nach drei Jahren Bauzeit ist die Linienstraße nun offiziell die längste Fahrradstraße Berlins. Noch wissen allerdings viele Autofahrer nicht, was das bedeutet - und verhalten sich wie sonst auch. Weitere Fahrradstraßen sind in Planung.
Ein weißes Radsymbol prangt auf dem dunklen Asphalt der Linienstraße. Genau in der Mitte der Fahrbahn, damit alle wissen: Das ist eine Fahrradstraße. Ein junger Mann tritt fröhlich in die Pedale, fährt in aller Ruhe am Naturkost- und Buchladen vorbei die Straße hinunter. Bis ihm ein schwarzer Kombi entgegenkommt. Das Auto rückt nur ein bisschen nach rechts. Weil die Fahrbahn eng ist, muss der Radler abbremsen. Er hätte hier zwar eigentlich Vorrang, aber das nutzt ihm in diesem Moment nichts. Der junge Mann fährt ganz nah an die parkenden Autos heran. Bis der Kombi vorbei ist.
Am Donnerstag haben die Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger und der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (beide SPD), die Linienstraße als Fahrradstraße eröffnet - mit 1,5 Kilometern die bisher längste Berlins. Radler, von denen es vor allem in der Innenstadt immer mehr gibt (taz berichtete), können ganz legal nebeneinander hertreppeln. "Unser Ziel ist es, das Rad als umweltfreundliches Verkehrsmitteln neben dem öffentlichen Nahverkehr zu etablieren", so Krautzberger.
Freie Fahrt für Radler bedeutet die Umwidmung der Linienstraße allerdings nur bedingt. Denn viele Autofahrer wissen offenbar gar nicht, was der Hinweis "Fahrradstraße" bedeutet. Sie nehmen auf die Radler nicht mehr Rücksicht als sonst. Zwar dürfen eigentlich nur Anlieger die Straße weiterhin mit dem Auto nutzen. Aber wie das so ist, haben letztlich alle, die hier durch wollen, ein Anliegen: die Müllmänner, die Lieferanten. Und auch die Touristen.
Fast drei Jahre dauerten die Baumaßnahmen in der Linienstraße. 3,5 Millionen Euro steckte der Senat in das Projekt. Das sei billiger als gedacht, sagt Krautzberger. Ursprünglich habe man mit Kosten von fünf Millionen Euro gerechnet. Fahrbahn und Gehwege wurden saniert, die Beleuchtung erneuert, Markierungen auf den Asphalt gepinselt. In regelmäßigen Abständen stehen Bügel, an denen man sein Rad anschließen kann.
Schilder mit einem weißem Rad im blauem Kreis weisen schon länger auf die Fahrradstraße hin. Neu ist eine Linksabbiegerspur an der Kreuzung der Oranienburger mit der Friedrichstraße. Dort endet auch die Linienstraße. Radfahrer, die nach Süden wollen, können sich vor den Autos an der Ampel einordnen. So kollidieren sie nicht mit Rechtsabbiegern. "Das gibt es in Berlin bis jetzt erst einmal," sagt Sarah Stark vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club.
Eine junge Frau, die zwei kleine Mädchen in einem Kasten vorne am Rad herumkutschiert, will die Linksabbiegerspur gleich mal ausprobieren. Selbstbewusst stellt sie sich direkt vor die Autos an der Ampel. Der Fahrer des ersten Wagens in der Schlange drückt verärgert auf die Hupe.
"So etwas muss sich rumsprechen", sagt Krautzberger. "Aus anderen Städten wissen wir, dass sich die Leute an Fahrradstraßen gewöhnen." Auch in Berlin soll es bald mehr davon geben: Die Max-Beer-Straße (Mitte) ist als Fahrradstraße geplant, genau wie die Choriner Straße (Mitte/Pankow). Auf der Bergmannstraße in Kreuzberg sollen Fahrräder bald ebenfalls Vorrang haben.
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