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■ Fahndungserfolg nach Zunahme von Schutzgelderpressungen im AllgäuSerienweise Mafiosi verhaftet

Serienweise Mafiosi verhaftet

Kempten/Memmingen (taz) — Immer dreistere Schutzgelderpressungen, Morddrohungen, Waffen- und Drogenhandel, zerschnittene Bremsschläuche und zerschlagene Gaststätteneinrichtungen. Dieses Bild von Mafia-Aktivitäten zeichneten hohe Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes, des Polizeipräsidiums Schwaben und der Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Kempten. Was hier so drastisch geschildert wurde, spielte sich jedoch nicht in Sizilien ab, sondern im Allgäu.

Überraschend schnell hätte sich die organisierte Kriminalität nach einer Serie von Festnahmen 1989 wieder regeneriert, berichtete der schwäbische Polizeipräsident Herbert Klaus. Verschiedene Polizeidirektionen, das Augsburger Präsidium und das Landeskriminalamt (LKA) konnten jedoch inzwischen durch Sondereinsatzkommandos eine ganze Reihe weiterer Verhaftungen vornehmen. Bis Donnerstag nachmittag waren diese Verhaftungen, die bis zum November 1991 zurückreichen, geheimgehalten worden. 14 der insgesamt 26 Festgenommenen Mafiosi wurden allein in der Zeit von November 1991 bis März 1992 verhaftet, darunter auch der mutmaßliche Mafia-Chef im Allgäu, der bis zuletzt eine Pizzeria in Memmingen betrieben hatte. Der 36jährige wurde mit 200 Gramm Kokain und einer Schußwaffe in Ulm geschnappt, als er mit einem Komplizen aus Amsterdam kam.

Die Strafverfolger halten den Pizzabäcker für den Nachfolger des inzwischen nach Catania ausgelieferten Salvatore Salamone, der dort wegen zweifachen Mordes angeklagt ist. Die Verhafteten sollen zusammen mehr als 200 Straftaten, unter anderem versuchter Mord, Erpressung und Drogenhandel, verübt haben. Gegen weitere 99 Personen laufen Ermittlungen.

Viele der Festgenommenen stammen aus der Gegend um Adrano, Sizilien, bekannt als „Todesdreieck“. Allein im Jahr 1989 wurden dort 120 Mitglieder rivalisierender Clans ermordet, doppelt soviele wie in Palermo. Der von der Polizei als Haupttäter bezeichnete Vito S. „konnte jederzeit auf alle Mitglieder des berüchtigten Santangelo-Clans zurückgreifen, beispielsweise Drogenkuriere für Deutschland anfordern“, berichtete Kriminaloberrat Josef Geißdörfer vom LKA in München.

In letzter Zeit hätten sich die Schutzgelderpressungen — nicht selten seien Beträge um 50.000 Mark gefordert worden — gehäuft. Drei in Kempten lebende Italiener sind laut Polizeipräsident Klaus im vergangenen Jahr nach Sizilien gelockt und dort ermordet worden. Anschließend waren ihre Leichen in ihren Autos verbrannt worden.

Doch nicht nur reger Drogen- und Waffenhandel, auch Falschgeldgeschäfte gehörten zum Repertoire der Bandenmitglieder. Ein geplantes Blütengeschäft mit 1,2 Mio. US- Dollar habe im letzten Moment verhindert werden können. Als die Fahnder einschritten, waren nach Angaben des LKA von den „druckfrischen Blüten“ erst drei Probeabzüge im Umlauf. Doch fanden die Ermittler in dem Haus außerdem noch Sprengstoff und dazugehörende elektrische Zünder.

Der Bruder des Haupttäters, so die Staatsanwaltschaft Kempten, habe nach dessen Verhaftung versucht, bei Allgäuer Geschäftsleuten — überwiegend Italiener — Geld für dessen Verteidigung einzutreiben. Auf brutale Weise seien Zahlungsunwillige dabei eingeschüchtert worden. Selbst ein Staatsanwalt, der mit den Ermittlungen betraut ist, wurde massiv bedroht.

Die Methoden, widerspenstige Geschäftsleute und Gastwirte gefügig zu machen, reichten von Morddrohungen bis zu relativ „sanften“ Einschüchterungen. Eine 15 Mann starke Gruppe von Italienern suchte etwa ein türkisches Restaurant auf. Die Männer bestellten nichts, blockierten jedoch den ganzen Abend die Plätze. Ein anderes Mal bestellten sie zwar, zahlten jedoch nicht. Nachdem der Besitzer immer noch nicht „weich“ geworden war, griff man zu „massiveren Mitteln“: erhebliche Sachbeschädigung.

Doch nicht nur italienische Mafiosi treiben in Schwaben und im Allgäu ihr Unwesen. Auch die chinesische und die türkische Mafia sind offenbar sehr aktiv. „In Augsburg haben wir es auch mit Chinesen, Türken und der sogenannten Jugo-Gang zu tun“, sagt Augsburgs Polizeipräsident, „aber um nicht den Eindruck der Ausländerfeindlichkeit zu erwecken: auch deutsche Hehler mischen kräftig mit.“

Ausgesprochen problematisch ist für die Strafverfolgungsbehörden jedoch der Tatnachweis. Wie der Mafia-Prozeß in Kempten vor einem Jahr gezeigt hat, müssen immer wieder einzelne Anklagepunkte fallengelassen werden, so zum Beispiel der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. In Polizeikreisen gibt man sich dennoch optimistisch, daß nach den jüngsten Festnahmen nun wieder etwas Ruhe einkehrt. Klaus Wittmann

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