Fälschungsvorwürfe gegen Journalisten: Der Fall Penkella
Erfand ein freier Journalist einen Experten oder fiel er auf einen Hochstapler rein? Eine bizarre Geschichte beschäftigt die Medien – dabei hatte der Presserat sie bereits abgeschlossen.
Der Anwalt Carsten Penkella ist dieser Tage ein gefragter Mann. Dumm nur, dass es ihn wahrscheinlich gar nicht gibt. Zumindest nicht in der Funktion als Anwalt. Genau das ist auch das Problem des Journalisten Sebastian Wieschowski. Denn er hatte den "Anwalt" in mehreren Texten als Experten zu Wort kommen lassen – auf Spiegel Online, Welt Online oder auch im Südkurier. Seitdem tobt ein bizarrer Streit um "erfundene Zitate" (so die Zeitschrift des Deutschen Journalisten-Verbandes, Journalist) und falsche Experten. Wieschowski selbst schreibt auf seiner Homepage zum Fall Penkella: "Das ärgert mich und war ein Fehler von mir ich hätte den Hintergrund dieser Person genauer prüfen müssen."
Der Journalist und die MDR-Radiowelle Sputnik haben Wieschowski dagegen vorgeworfen, bewusst Zitate gefälscht zu haben – und den vollen Namen und persönliche Hintergründe zu dem erst 25-jährigen Vielschreiber gebracht, ohne Wieschowski selbst zu Wort kommen zu lassen. Das war am vergangenen Freitag, kurz bevor die Redaktionen ins Wochenende aufbrachen. Weil die einen vorschnell Namen veröffentlichen und aus Verdachtsmomenten Tatsachen machen, vermuten die anderen eine Hetzjagd auf den jungen Journalisten. Schließlich liegen Themen wie Plagiat (Helene Hegemann lässt grüßen) und schummelnde Journalisten (Da war doch was bei der Neon) gerade so appetitlich auf dem Medientablett. Hätte die ganze Geschichte eine ähnlich große Aufmerksamkeit erfahren, wenn nicht vor einigen Tagen die tatsächlich frei erfundenen Promi-Interviews für Neon so groß breitgetreten worden wären?
Das plötzliche Interesse und die hektische Berichterstattung rund um Sebastian Wieschowski wunderten jedenfalls auch die betroffenen Redaktionen. Denn schon 2009 lag der Fall beim Presserat. Ein echter Anwalt soll sich beim Selbstkontrollorgan der Zeitungen und Zeitschriften gemeldet haben, da er den oft zitierten Kollegen in keiner Anwaltsliste finden konnte. Alle betroffenen Verlage prüften und entfernten Wieschowski-Texte aus ihren Archiven. Damit sind die Redaktionen an einer Rüge durch den Presserat vorbeigeschrammt und mussten auch keine Stellungnahme veröffentlichen. "Redaktionen können nicht alles verantworten. Herr Wieschowski war seit Jahren freier Mitarbeiter und es gab bisher keinen Anlass, alle Fakten und Personen in seinen Artikeln zu überprüfen," heißt es beim Presserat.
Allerdings sei dies auch der erste Fall dieser Art. Spiegel Online und Welt Online haben bereits im Dezember Anzeige erstattet – allerdings nicht gegen Wieschowski, sondern gegen Unbekannt. Noch ein Rätsel gibt zudem eine anonyme E-Mail der angeblich hinter dem "Anwalt" Penkella steckenden Person an eines der Medienhäuser auf, in dem diese sich dazu bekennen soll, Journalisten bewusst mit einer falschen Identität hinters Licht geführt zu haben. Angeblich, um zu zeigen, wie ungeprüft Expertenwissen heutzutage in die Medien gelangt. Ob die Mail echt ist, ist unklar.
Die Anwälte von Sebastian Wieschowski haben der Taz folgende Stellungnahme zugeschickt: "(...) Unser Mandant wurde getäuscht. Aufgrund einer Leserbeschwerde beim Deutschen Presserat hat sich herausgestellt, dass ein vermeintlicher Anwalt, den unser Mandant zitiert hat, ein Hochstapler war. Das war für unseren Mandanten nicht erkennbar. (...) Dass die Unschuldsvermutung auch für ihn gilt, haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Journalisten und Medien missachtet. Sie haben sich zum Richter über einen ihrer Kollegen aufgeschwungen, ohne diesen auch nur anzuhören. (...) Einen jungen und integren Journalisten zu Unrecht und unter Namensnennung sowie zum Teil auch mit Foto derart an den Pranger zu stellen, ist verleumderisch und durch nichts zu rechtfertigen."
Beim Axel-Springer-Verlag heißt es jetzt, dass über die Artikel mit dem fingierten Anwalt hinaus noch Zweifel bei weiteren, von Wieschowski zitiertern, Experten gibt. Seit Wochen komme Wieschowski der Bitte nicht nach, Belege für diverse weitere Quellen vorzulegen, so das Zeitungshaus. Etwa was einen in einem Beitrag genannter IT-Experten angeht, der nicht einmal eine Homepage hat. Zwar wolle man die mediale Vorverurteilung eines viel versprechenden Autors nicht unterstützen. Aber Wieschowskis Verhalten habe zu Misstrauen geführt, obwohl dieser ein professioneller Autor sei, der viele Texte veröffentlicht habe und daher auch immer wie ein erfahrener Kollege behandelt worden sei. Jetzt erwartet Springer professionelles Verhalten im Problemfall – und kein plötzliches Verstecken des Journlisten hinter seiner Jugendlichkeit.
Angeschmiert bleibt am Ende vor allem der Leser, der bis heute nicht von den betreffenden Medien darauf hingewiesen wurde, dass in diversen Texten eventuell fragwürdige Experten zu Wort kamen. Manche Artikel wurden zwar aus den Archiven entfernt, andere stehen weiter Online. Doch einen "Warnhinweis" sucht man vergeblich. Auch warum die Sache jetzt plötzlich zum großen Aufreger wurde, bleibt rätselhaft: Auf Taz-Nachfrage schieben sich jetzt der Journalist und MDR-Sputnik gegenseitig den Ball zu, wer denn die Berichterstattung Wieschowski initiiert hat: Sputnik beruft sich auf eine Pressemeldung der Journalist-Redaktion, die am späten Freitag Nachmittag herauskam. Beim Journalisten beruft man sich dagegen – auf MDR Sputnik.
Anmerkung in eigener Sache: Sebastian Wieschowski hat 2007 auch für die Taz einen Text verfasst: "Propaganda auf Kölns Pausenhöfen". Dieser ist online abrufbar und bis dato gibt es keinen Grund an der Echtheit der zitierten Personen zu zweifeln.
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