■ Fachhochschulen go east: Keine Ossi-Phobie
Während im Westen die großen Tanker-Unis längst nicht mehr zu steuern sind, ziehen die Berliner Fachhochschulen in den Osten.
Da wäre zunächst die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Karlshorst und an vier weiteren Standorten in Friedrichshain über Lichtenberg bis Blankenburg. Im Endausbau soll sie mit 8.800 Studienplätzen sogar ihre Ziehmutter, die Technische Fachhochschule (TFH) im Wedding, überflügeln. Dann wäre sie die größte Berliner FH – und ebenfalls nicht mehr steuerbar? Die FHTW ist aus der (abgewickelten) „Hochschule für Ökonomie“ und der (nicht abgewickelten) Ingenieurhochschule Lichtenberg hervorgegangen. Daher besteht sie noch heute unter dem Dach einer gemeinsamen Verwaltung aus einem von Westlern dominierten Wirtschaftsbereich einerseits und technischen Fachbereichen andererseits, deren Dozenten überwiegend aus dem Osten stammen.
Einen Namen will sich die technisch und wirtschaftlich ausgerichtete Fachhochschule durch ein drittes Standbein machen: den Aufbau künstlerisch und kulturwissenschaftlich orientierter Studiengänge. Im Fachbereich Bekleidung, Kultur, Design finden sich Studiengänge wie Museumskunde und Restaurierung/Grabungstechnik. Ihr Manko: Der Zugang ist durch den Nachweis einer zweijährigen Berufspraxis extrem beschränkt.
Verpaßt haben die Karlshorster unterdessen, ihren sperrigen Titel FHTW in Walther- Rathenau-Hochschule zu ändern. Die Gremien der Hochschule konnten sich zur allgemeinen Überraschung nicht auf Rathenau einigen; die Erinnerung an „Bruno Leuschner“, den Planwirtschaftler und Patron der Vorgängerin, der Hochschule für Ökonomie, war wohl noch zu frisch: man wollte nicht wieder einen politischen Namensgeber.Ob alle Fachbereiche auf einem zentralen Campus in Karlshorst oder in Adlershof zusammengefaßt werden, ist noch ungewiß. Auf den Standort sind die Naturwissenschaften der Humboldt-Uni abonniert.
In den Osten soll demnächst auch die Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Wissenschaftssenator Manfred Erhardt und der im Februar abgewählte Rektor Reinhart Wolff wollten die FHSS ab 1996 im neuen Zentrum von Hellersdorf sehen. Die jetzige Rektorin Christine Labonte-Roset und – nach dem Ergebnis einer Urabstimmung – 90 Prozent der Hochschulmitglieder zögen dagegen (mit geringen Erfolgsaussichten) den Verbleib in Schöneberg vor. Um nicht den Eindruck von Ossi-Phobie zu erwecken, wird ein Umzug in den Osten nicht mehr pauschal abgelehnt – nur eben nicht nach Hellersdorf: „Sozialarbeit gehört ins Zentrum der Stadt“, so Labonte-Roset.
Weit weniger spektakulär vollzog sich der Umzug der kaum bekannten „Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege“. 3.000 angehende BeamtInnen für den gehobenen Dienst in Berlin und Brandenburg bildet die kleine Verwaltungshochschule aus. Bisher residierte sie in nobler Lage am Kurfürstendamm, im sogenannten Kudamm-Karree. Jetzt ist sie umgezogen nach Alt-Friedrichsfelde im Bezirk Lichtenberg – in einen Komplex der Stasi.
Rektor Detlef Bischoff geht in die benachbarte FHTW- Mensa essen, was die Kooperation mit dem dortigen Prorektor Rainer Knigge nach dessen Auskunft beträchtlich erleichtert. rab/cif
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