Facebook-Flop des österreichischen Kanzlers: Failmann schlägt Faymann
In seinem Facebook-Profil bejubeln Fans den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann. Dumm nur, dass es keine echten Nutzer sind.
WIEN taz | Wer ist Werner Failmann? Er sieht aus wie Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, SPÖ, und wurde mit seinem Facebook-Auftritt vor wenigen Wochen schnell populär. Ganz anders als Faymann, der sich mit seinen Gehversuchen in den Social Media seit Ende Oktober zum Gespött gemacht hat.
Hölzern und humorlos kommt er daher und die meisten seiner Fans, die seine Politik oder auch nur seine Ansprachen bejubeln, existieren nur in der virtuellen Welt. "es ist schön, dass der bundeskanzler sich für soziales einsetzt. bei ihm ist es auch authentisch und wahrhaftig. Wär (sic!) ihn einmal gesehen hat wir (sic!) er mit sogenannten kleinen leuten umgeht sieht sofort dass er es ernst meint! würde mir wünschen, dass alle politiker so bodenständig wären!“ Miriam W. mit der bodenständigen Orthographie gehört zu den treuesten Fans des Kanzlers.
Allerdings bleibt sie ein Phantom. Ihr Facebook-Profil ist komplett abgeschottet. Man kann ihr keine Freundschaftsanfrage und keine Nachricht schicken. Renate K., eine ähnlich treue Kommentatorin, hat nicht einmal ein Foto im Netz. Unter den Fans tummeln sich auch solche mit Namen, wie man sie sonst in einschlägigen Kontaktinseraten findet: Denise69 oder Foxy Lady. Anders als die Beiträge dieser Fantasiegestalten sind die echten Postings fast durchgehend sarkastisch, höhnisch oder einfach kritisch.
Angelika Feigl, Social-Media-Beauftragte des Kanzlers, hat Erklärungsbedarf nachdem das Magazin Datum Faymanns Freunden nachrecherchierte und zu dem Ergebnis kam, 4500 von 5400 von ihnen seien Kreationen der eigenen Mannschaft. Die IP-Adresse führe zum Teil direkt in die SPÖ Zentrale. Schließlich sind nicht weniger als neun Personen teils ganztags für die Betreuung von Facebook und Twitter im Namen des Kanzlers abgestellt.
Auch Fake-Leserbriefe entdeckt
180.000 Euro Steuergeld soll das kosten. Feigl sieht die Bösewichte anderswo. "Dass es zu Provokationen kommen kann, ist uns bewusst. Das ist Teil von Social Media. Wir wissen aber nicht, wie es zu den Profilen und zu den gekauften Usern, die man uns offenbar auf die Seite geschickt hat, gekommen ist. Unsere Agentur prüft das". Das erklärte sie in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung Die Presse. Bisher hat diese Prüfung keine Täter ertappt.
Im Zuge der peinlichen Facebook-Affaire begannen Medien auch auffällige Leserbriefe in Zeitungen zu untersuchen. Dabei fielen neben den Briefen von Christoph und Sabine Huber auch die besonders lobhudelnden Zuschriften von Peter Dörner und Christine Steinkellner in den Boulevardmedien auf. Die Personen sind allesamt frei erfunden. Die Absender lassen sich in die SPÖ-Zentrale zurückverfolgen.
Während der echte Kanzler sein Team Twitter und Facebook mit SPÖ-Propaganda befüllen lässt, zeigt sich "Werner Failmann" weit versierter im Umgang mit den neuen Medien. Auf dem Portraitfoto sieht man den echten Faymann vor dem Bundesadler, dessen Schwingen ihm wie eine Struwwelperücke aufgesetzt scheinen. Hammer und Sichel in den Fängen des Wappentiers wirken wie seltsame Ohrgehänge.
Failmanns Postings spielen auf die eher schlichte politische Rafinesse des SPÖ-Chefs an: "Hab verstanden, was unsere Position ist. Spindi erklärts gerade. Wir sind erst dann für Eurobonds, wenn unser TripleA fällt. Also eh bald." Mit Spindi ist Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger, ÖVP, gemeint. Das Verarschungslied "Kanzler der Herzen" wurde auf Youtube bereits tausende Male angeklickt.
Kein Wunder, dass bei einer Umfrage des Humaninstituts die Internetauftritte der SPÖ insgesamt von 71 Prozent der Befragten schlechte Noten bekam. Nur die Grünen und die FPÖ kommen beim Social Media Ranking gut weg. Die konservative ÖVP ist wohl aus gutem Grund bei ihren Gehversuchen in der virtuellen Welt äußerst zurückhaltend. Von ihren Regierungsmitgliedern ist einzig Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz auf Facebook. Der Mann ist 25 Jahre alt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut