FÜR NEUKUNDEN : Zurückknurren
Erst im April dieses Jahres hat die Außenstelle des Jobcenters Neukölln für „Neukunden“ aufgemacht. Auf dem Weg dorthin passiere ich eine laut lamentierende Frau. Mit ihrer Rede über die Übel der Welt, Gott und – aufgemerkt! – „die Geldsäcke“ ist sie neben der Hausnummer des Gebäudes, die versteckt liegt, der einzige Hinweis auf die Lage des Jobcenters.
Im Eingangsbereich kleben unzählige auf A4-Papier gedruckte Hinweise und Verbote an Wänden und Türen. Verschiedenste Schrifttypen und Farben stürzen mich in tiefe Verwirrung. Erst nach mehreren Minuten kann ich meinen Blick abwenden und folge den Hinzutretenden.
Gemeinsam steigen wir im so genannten Empfangsbereich – ein langer kahler Gang – aus dem Fahrstuhl, in dem die Etagenknöpfe unbeschriftet waren, und werden von nikotinheiserem Bellen empfangen. Ein dürrer Wachmann in schlecht sitzendem beamtenblauem Hemd und mit tiefen Mundwinkeln passt hier auf. Eine Hochschwangere tritt an ihn heran und zeigt ein Attest vor, sie dürfe weder stehen noch warten. Der Gorilla verbreitert den Winkel zwischen seinen Beinen und: „Ham Se ’n Stuhl dabei? Oder: Auf Wiedersehen!“
Ich hingegen stehe schon seit geraumer Zeit. Die Frau, die eben noch auf der Eingangstreppe sitzend den Weg wies, nähert sich lamentierend. Verständlicherweise möchte sie nicht anstehen, der Gorilla mag mit seinem Gebell gar nicht mehr aufhören. „Fass!“, ruft die Frau und „Zeig mir deine Zähne!“ und „Grrrrrr!“ Als der Wachmann mit Hausverbot droht, lacht nicht nur die Frau. Dann ist sie doch still.
Verbissen wacht der Mann nun weiter über die ihm anvertraute Türöffnung: Hineinzulugen ist strengstens verboten! Nähert sich jemand, wird er geschubst und auf das Ende der sehr langen Schlange verwiesen. Was man auch hätte sehen können! SONJA VOGEL