FÜR DIE ARMEN LÄNDER KÖNNEN SCHUTZZÖLLE SEHR SINNVOLL SEIN : Protektionismus gegen Hunger
Das Wort „Schutzzölle“ hat in den letzten Jahren für viele einen negativen Beigeschmack erhalten. Und dies nicht nur in neoliberalen Kreisen, die in der Liberalisierung und Privatisierung der Märkte trotz aller inzwischen vorliegenden Gegenbeweise immer noch das Allheilmittel für die Menschheit sehen. Schutzölle – das klingt nach Abschottung, Protektionismus und Ähnlichem, das die Öffentlichkeit heute zumeist negativ bewertet.
Doch Schutzoll ist nicht gleich Schutzzoll, wie die aktuelle Debatte in der Welthandelsorganisation (WTO) zeigt. Letzte Woche entschied deren Schlichtungsausschuss über eine Klage Chinas, der 15 EU-Staaten, Japans und anderer Staaten. Danach sind die von den USA verhängten Schutzzölle gegen Stahlimporte aus den Klägerländern unzulässig und müssen sofort aufgehoben werden. Für in der Vergangenheit bereits erlittene wirtschaftliche Nachteile müssen die USA den Klägerstaaten Wiedergutmachung zahlen. Das ist eine richtige und – angesichts des massiven Drucks der USA – mutige Entscheidung der WTO-Schlichter. Denn mit den Schutzzöllen ging es den USA darum, ihre auf Grund jahrelanger Versäumnisse international immer konkurrenzunfähigere Stahlindustrie gegen Importe aus anderen Ländern zu schützen.
Ganz anders liegen die Dinge mit der Forderung zahlreicher Staaten aus dem Süden im Rahmen der WTO-Agrarverhandlungen, das Recht auf die Erhebung von Schutzzöllen zumindestens in begründeten Einzelfällen auch nach einer weitgehenden Liberalisierung der Weltagrarmärkte noch anwenden zu dürfen. Bei dieser Forderung geht es um den Schutz der kleinbäuerlichen Existenzen in überwiegend armen Ländern Afrikas und Asiens, gegen Dumpingimporte aus den Weltagrarmarkt-Riesen USA oder EU. Der Schutz der Kleinbauern bedeutet in diesem Fall auch, dass diese Länder die Möglichkeit behalten oder zumindest nicht völlig verlieren, die eigene Bevölkerung zu ernähren. Das liegt auch im – wohlverstandenen – Interesse der Industriestaaten des Nordens, die diese Länder im Rahmen der WTO-Verhandlungen derzeit zur Aufgabe aller Schutzzölle drängen. ANDREAS ZUMACH