FREITAGNACHT : In der Damentoilette
Freitagnacht, die Kneipe ist voll. Die Kellnerin kommt zu mir und sagt: „Siehst du diesen Typen dahinten beim Eingang zu den Toiletten. Dem traue ich nicht. Irgendwas treibt der da. Kannst du den mal im Auge behalten.“
Als zuverlässiger Stammgast beobachte ich den Verdächtigen: Der Mann hat kurze schwarze Haare, ist klein, trägt ein eng anliegendes hellblaues Hemd und wirkt unglaublich muskulös. Ein Bodybuilder, denke ich. Er trinkt eine Tasse Kaffee, seine Gesichtszüge sind freundlich. Eine Zeit lang passiert nichts. Dann ist er plötzlich weg, taucht wieder auf, bestellt sich noch einen Kaffee.
Ich versuche, ihn unauffällig zu observieren. Dabei komme ich mir wie ein dilettantischer Privatdetektiv vor und frage mich, warum ich das überhaupt mache. Im Verlauf der nächsten halben Stunde ist er immer wieder für kurze Zeit verschwunden. Ich stelle mich näher an ihn heran und sehe, wie er in die Damentoilette geht. Ich folge ihm. In der Damentoilette gibt es zwei Kabinen. Er hat sich in einer davon eingeschlossen. Ich gehe wieder hinaus. Während er auf der Toilette sitzt, frequentieren einige Damen die andere Kabine. Dann steht er wieder an seinem Platz in der Kneipe. Was macht der da? Beobachtet er durch ein kleines Loch die Damen beim Pinkeln? Stimuliert ihn das Geräusch urinierender Frauen? Der kleine Bodybuilder tut mir leid.
Nichtsdestotrotz berichte ich als zuverlässiger Stammgast der Kellnerin meine Beobachtungen. Wir vereinbaren, dass ich ihr, sobald er wieder auf der Toilette verschwindet, ein Zeichen gebe. Er verschwindet, ich gebe das Zeichen, wir folgen ihm. Sie sagt, dass er herauskommen solle. Er öffnet die Tür und rechtfertigt sich kleinlaut mit einer angeblichen Überbelegung auf der Männertoilette. Die Kellnerin beschimpft ihn als Wichser und erteilt ihm Hausverbot. Gedemütigt verlässt er den Laden, und ich empfinde mich als Verräter.ALEM GRABOVAC