FOLTER: DIE US-SENATOREN WERDEN ZU WENIG FRAGEN STELLEN : Die Gewissheit der Gefreiten E.
Sicher: Die Senatoren des US-Kongresses sollen die Vorfälle in den irakischen Gefängnissen aufklären. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte außenpolitischer Skandale der USA, dass Untersuchungen des Kongresses tatsächlich Wahrheiten ans Licht bringen und ein Stück demokratischer Souveränität zurückgewinnen. Doch die Grenzen solcher Aufklärungsarbeit sind ebenso klar erkennbar, zumal in einem Wahljahr. Denn wenn der Senat wirklich zukünftige Menschenrechtsverletzungen ausschließen wollte, müsste er mehr tun.
Wenn die Senatoren ihren Job ernst nähmen, müssten sie zum Beispiel der Verlängerung des so genannten Patriot Acts ihre Stimme verweigern. Denn schon dieses Gesetzespaket zur Spezialbehandlung von Terrorverdächtigen innerhalb der USA setzt jene rechtsstaatlichen Grundsätze – etwa die Gleichbehandlung aller und die Unschuldsvermutung – außer Kraft, deren brachiale, überhöhte und gewaltsam inszenierte Verletzung auf den Bildern aus Abu Ghraib zu sehen ist.
Etwa die CIA: Offenbar operiert der Auslandsgeheimdienst im Rahmen des Antiterrorkampfes mit Richtlinien für die Durchführung von Verhören, die nach allgemeinem Verständnis Folter sind. Wenn etwa Häftlinge mit dem Kopf unter Wasser gedrückt werden, bis sie Todesangst erleiden, dann ist das die „Submarino“-Methode der chilenischen, uruguayischen und argentinischen Folterknechte in den 70er-Jahren. Kein Wunder im Übrigen, schließlich hatten die Südamerikaner ihr Handwerk beim gleichen Geheimdienst gelernt – aber das ist eine andere Geschichte.
Die Herren und Damen vom US-Kongress haben spätestens seit dem 11. September 2001 solche Vorgaben toleriert und die Debatte über eine mögliche Legitimität von Folter nicht nur geführt, sondern insgeheim längst positiv beantwortet, und sei es durch aktive Ignoranz. Wollen sie jetzt wirklich etwas ändern, dann haben sie eine Menge Arbeit vor sich. Die Frage, ob die Gefreite Lynndie England auf Befehl gehandelt hat oder nicht, erscheint dabei nicht mehr ganz so wichtig. Die Frage, warum sie so ganz sicher war, dass ihr Tun rechtens sei, sollte die Senatoren allerdings wirklich beschäftigen.
BERND PICKERT