FIAT-KRISE: DER AUTOKONZERN HAT SEINE ALTE ROLLE LÄNGST EINGEBÜSST: Italien auf dem Weg in die Nische
„Was gut ist für Fiat, ist gut für Italien“ – dieser Leitspruch galt jahrzehntelang. Er prägte die italienische Wirtschaftspolitik, die mit abgeschotteten Märkten und Milliardensubventionen den Turiner Autobauern aus jeder Krise half. Heute steckt Fiat in der Existenzkrise; und nicht nur eine große Zahl von Arbeitsplätzen verschwindet, sondern vielleicht auch das Überleben der Automobilproduktion unter italienischer Flagge. Da überrascht es nicht, dass Roms Politikbetrieb zur Zeit vor allem mit Fiat-Krisenrunden beschäftigt ist.
Denn mit Fiat fiele nicht irgendeine Firma. Mit Fiat droht der größte Leuchtturm der italienischen Großindustrie einzustürzen. Noch vor zwanzig, dreißig Jahren bescheinigten Ökonomen dem Land eine „duale Industriestruktur“: Einige wenige Große in der Hand von Familiendynastien wie den Agnellis machten neben tausenden kleinen Klitschen das Geschäft. Aber selbst der einst weltbekannte Büromaschinenbauer Olivetti ist nur noch eine ferne Erinnerung. Wenn Fiat den Abgang macht oder zur Zweigsparte eines ausländischen Konzerns wird, bleibt von den alten, großen Namen nur noch die Reifenfirma Pirelli.
So bitter die drohenden Arbeitsplatzverluste sind – die tragende Säule des italienischen Wirtschaftserfolgs ist Fiat schon lange nicht mehr. Exporterfolge und Arbeitsplätze hängen heute an einer Myriade kleiner Unternehmen, die die ganze Welt mit Badezimmerfliesen und Designermöbeln, mit Brillengestellen und Wasserhähnen, mit teuren Tuchen und Spitzenweinen eindecken. Hochflexibel, hochmodern produzieren diese Klitschen so genannte traditionelle Produkte, und sie garantieren dem Land das Überleben von Branchen wie der Bekleidungsindustrie, die im übrigen Westeuropa fast ausgestorben ist.
Hier liegt die Stärke des Landes – und seine Schwäche: Bei kapital- und entwicklungsintensiven Produktionen hat Italien den Anschluss vollkommen verloren. Ob Computer, ob Chemie, ob Bio-Tech: Italien wird zum Nischenanbieter. Schlimmer noch, es droht sich mit diesem Schicksal abzufinden. MICHAEL BRAUN
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