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Archiv-Artikel

FELIX LEE POLITIK VON UNTEN Alles, und zwar gleichzeitig!

WARUM LINKSRADIKALE AKTIVISTEN BESSER NICHT NASERÜMPFEND AUF DIE STUDIERENDEN SCHAUEN

Es war ganz schön viel los in dieser Woche. Studierende und Schüler gehen zu Zehntausenden auf die Straße, besetzen Institute, Kreuzungen und stürmen Landtage, Prüfungsämter und Banken. Zur gleichen Zeit besetzen Gentrifizierungsgegner in Berlin im Rahmen der „linken Aktionswoche“ leer stehende Häuser und halten vor allem zu später Abendstunde die Polizei auf Trab.

Es sind bei weitem nicht nur die Ordnungshüter, die davon ausgehen, dass das nächtliche Zündeln von Luxuskarossen und die bunten Verschönerungsaktionen mit Farbeiern auf Prunkimmobilien im Zusammenhang mit diesen „Aktionswochen“ gestanden haben.

Was das Bemerkenswerte daran ist? Dass beide Veranstaltungen zeitgleich und dennoch losgelöst voneinander stattgefunden haben. Ein Planungsfehler beider Seiten.

Nicht, dass die eher brav anmutenden Studenten der Bildungsproteste eins zu eins deckungsgleich sind mit den deutlich radikaleren Hausbesetzern. Doch seien wir mal ehrlich: So groß ist die aktionsorientierte Protestszene hierzulande nicht, dass Bildungsstreik und Action-Weeks sich leisten können, gegenseitig die Leute abzuziehen.

Schon bei vergangenen Uni-Protesten fiel auf, dass viele Daueraktivisten eher naserümpfend auf den plötzlichen Protest-Elan der Studis schauten. Als „Aufstand von Mittelstandskids“ wurden sie belächelt, die einmal im Leben zumindest für ein paar Tage ein Hauch von 68er-Luft schnuppern wollten, letztlich aber doch nur für ein paar mehr Euros für Uni-Bibliotheken auf die Straße gingen.

Schon damals war diese Denke falsch. Denn auch das hat die Erfahrung gezeigt: Zwar verstecken sich die meisten Studis nach Abflauen der Proteste wieder hinter ihren Büchern. Zugleich hat jeder Studistreik die nächste Generation an Aktivisten herangebildet. Und dies waren bei weitem nicht nur Jusos oder Junggrüne, deren Namen Jahre später wieder im Bundestag auftauchen. So wirkungslos die meisten Studiproteste an sich waren – sie haben für die nötige Politisierung gesorgt, die kein Uniseminar zu erfüllen vermag. Die Initiatoren der linken Aktionswochen wären besser beraten gewesen, ihre Tage auf das Sommerloch im Juli oder August zu legen.

■ Der Autor ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen Foto: Wolfgang Borrs