FDP will neues Fortpflanzungsgesetz: Die Freiheit der Entscheidung
Die FDP-Abgeordnete Ulrike Flach möchte ein "Fortpflanzungsmedizingesetz" auf den Weg bringen. Darin soll unter anderem die Eizellspende erlaubt werden.
![](https://taz.de/picture/239967/14/embryo_04.jpg)
BERLIN taz | Die Politik muss die Regeln der umstrittenen Fortpflanzungsmedizin wieder selbst bestimmen. Das fordert die Ethikexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach. "Es kann nicht sein, dass zunehmend in Gerichten entschieden wird, wofür wir Politiker die Verantwortung tragen müssen", sagt Flach in einem Gespräch mit der taz.
Als Reaktion auf die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zu den Grenzen der Stammzellenforschung und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg zur Eizellspende kündigt Flach an, noch in dieser Legislaturperiode eine parlamentarische, nicht an Fraktionsgrenzen gebundene Mehrheit im Bundestag für ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz organisieren zu wollen.
"Ich führe dieser Tage im Parlament mit Kollegen aus allen Fraktionen Gespräche", sagt Flach. Anschließend müsse es "eine Entscheidung der Fraktionsspitzen geben, dass man diese Entscheidung freigibt". Flach, die zugleich Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium ist, betont, sie betreibe diesen Vorstoß einzig in ihrer Funktion als FDP-Abgeordnete. "In der Koalition selbst glaube ich nicht, dass wir insbesondere mit den Kollegen von der CSU auf einen gemeinsamen Nenner kommen." Weil es sich "um ein hoch ethisches Thema" handele, müsse bei der Entscheidung über ein Fortpflanzungsmedizingesetz in jedem Fall der Fraktionszwang aufgehoben werden. Mit einem gezielten Affront gegen die Union habe das nichts zu tun.
Flach sagt, sie habe die jüngsten Gerichtsurteile von Mitte Oktober und Anfang November "mit hoher Irritation und Erstaunen" zur Kenntnis genommen. Mit ihnen war sowohl dem Patentieren von wissenschaftlichen Verfahren, die menschliche embryonale Stammzellen nutzen, als auch der Legalisierung der Eizellspende in verschiedenen europäischen Ländern eine Absage erteilt worden.
FDP will mehr erlauben
Flach und viele FDP-Kollegen sprechen sich hingegen in einem Positionspapier dafür aus, in einem Fortpflanzungsmedizingesetz folgende Bereiche künftig bündeln und verbindlich regeln zu wollen: Die Eizellspende, bislang nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten, soll erlaubt werden. Ebenso die Samenspende von Verstorbenen, außerdem die Leihmutterschaft sowie die Anwendung von reproduktionsmedizinischen Verfahren auch bei Nichtverheirateten, bei eingetragenen Lebenspartnerschaften und Alleinstehenden.
Den Streit um die Auslegung der so genannten "Dreierregel" im Embryonenschutzgesetz von 1990, wonach bei einer Befruchtung im Reagenzglas eigentlich alle befruchteten Eizellen - maximal drei - in den Mutterleib eingepflanzt werden müssen, will Flach zugunsten der Regel-Kritiker beenden: Weder steigere diese Behandlung nach heutigem Kenntnisstand die Erfolgsrate, noch berücksichtige sie das erhebliche Risiko von Drillingsgeburten angemessen.
Das Fortpflanzungsmedizingesetz könnte einige Gesetze und Richtlinien gesetzlich bündeln: das Embryonenschutzgesetz, das reproduktionsmedizinische Verfahren regelt - jedoch nicht alle, weil viele Verfahren, etwa die Präimplantationsdiagnostik, 1990 noch nicht existierten; das Gendiagnostikgesetz, das gentechnische Schwangerschaftsuntersuchungen regelt; Richtlinien der Bundesärztekammer, die die Anforderung des Familienstand "verheiratet" vorsehen, um Zugang zu Samenbanken zu erhalten.
Stattdessen erlauben will die FDP den sogenannten elektiven Single-Embryo-Transfer, um Mehrlingsschwangerschaften nach künstlicher Befruchtung und den damit verbundenen Risiken für Mutter und Kinder zu reduzieren. Damit ist ein Verfahren gemeint, bei dem nach In-vitro-Fertilisation (IVF) mehrere Embryonen einige Tage kultiviert werden - mit dem Ziel, nur einen einzigen, den "besten" Embryo auszuwählen, der dann in die Gebärmutter eingesetzt wird.
Grundlage dieser Auswahl ist keine genetische Untersuchung wie bei der Präimplantationsdiagnostik, sondern eine morphologische Analyse, also die Betrachtung des Embryos unter dem Mikroskop. Nach Angaben von Reproduktionsmedizinern geht es nicht darum, bestimmte Eigenschaften zu vermeiden, sondern die allgemeine Entwicklungsfähigkeit des Embryos zu ermitteln.
Flach zeigt sich optimistisch, dass ihre Initiative gelingen könnte. Bereits im Streit um die gesetzliche Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) hat die FDP-Politikerin in diesem Sommer als eine der führenden Kräfte gegen den Widerstand großer Teile der Koalition erfolgreich eine vergleichsweise liberale gesetzgebende parlamentarische Mehrheit organisiert.
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