FDP lehnt Finanztransaktionssteuer ab: Liberale setzen Merkel unter Druck
FDP-Politiker lehnen eine Börsensteuer für den Euro-Raum kategorisch ab. Finanzpolitiker Schäffler sagt, Schwarz-Gelb sei angetreten, um die Steuern nicht zu erhöhen.

Röslers Position zur Finanztransaktionssteuer: Entweder mit allen, oder gar nicht. Bild: dpa
BERLIN rtr | Die FDP lehnt im Gegensatz zu Kanzlerin Angela Merkel die Einführung einer Finanztransaktionsteuer lediglich für den Kreis der Euro-Ländern kategorisch ab. FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler sagte der Frankfurter Rundschau: "Ich bleibe dabei: Eine solche Steuer muss für alle EU-Länder gelten, nicht nur für die Euro-Staaten."
Eine solche Steuer, über die seit geraumer Zeit auf internationaler Ebene diskutiert wird, führe zu Wettbewerbsverzerrungen und belaste den Finanzstandort Deutschland einseitig. Rösler forderte Merkel auf, auf die verabredete Linie zurückzukehren und bei diesem Thema auf eine EU-weite Lösung zu dringen. "Das muss unser gemeinsames Ziel sein", sagte er.
Merkel hatte am Montag nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Berlin erklärt, falls es nicht gelinge, eine Finanzstransaktionssteuer für alle EU-Länder durchzusetzen, könne sie sich einen solchen Schritt auch nur für die 17 Euro-Länder vorstellen. Käme es dazu, würde die neue Steuer nicht für den wichtigen Finanzplatz London gelten.
Finanzminister Wolfgang Schäuble vertritt seit langem die Auffassung, notfalls sollte die neue Börsensteuer nur für den Euro-Raum gelten. Er hatte das aber immer als seine persönliche Position bezeichnet, die nicht für die ganze Bundesregierung gelte.
"Eine Gefahr für Europa"
Auch der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler kritisierte in der Neuen Osnabrücker Zeitung Merkel: "Ich warne die Kanzlerin ausdrücklich, diesen Weg weiter zu beschreiten." Merkel müsse eine zu diesem Thema getroffene Vereinbarung mit der FDP einhalten. "Sonst müssen auch wir als FDP uns künftig nicht mehr an Absprachen halten."
Schwarz-Gelb sei angetreten, die Steuern nicht zu erhöhen. Deshalb passe die Finanztransaktionssteuer nicht zur Koalition. Dem Handelsblatt sagte Schäffler, Merkels Überlegungen seien eine Gefahr für Europa. "Die Finanztransaktionssteuer darf Europa nicht erneut spalten und Schweden und Großbritannien ausgrenzen, die dezidiert gegen diese Steuer sind."
Auf Druck Deutschlands und Frankreichs hatte die EU-Kommission kürzlich einen Vorschlag gemacht, wonach kommerzielle Aktien- und Anleihengeschäfte mit einem Mindestsatz von 0,1 Prozent und Derivategeschäfte von 0,01 Prozent besteuert werden sollten. Sie verspricht sich davon Einnahmen von rund 57 Milliarden Euro pro Jahr in der EU, die sie zum Teil auf Kommissionsebene halten will.
Leser*innenkommentare
Zweifler
Gast
Wer entkräftet das Argument von Rösler, die Firmen würden sofort in die Nachbarländer abwandern, die keine Finanztransaktionssteuer erheben? - Angeblich wurde diese in NL bereits eingeführt und schnellstens wieder abgeschafft. Wie verhindert man die Verlagerung?
GWalter
Gast
Ein Gedicht über die FDP, 19. Jahrhundert.
"Hütet euch vor Liberalen,
jene blassen, jene fahlen,
die in Zeitung und Journalen
philosophisch sich ergehn:
Aber bei des Bettlers Schmerzen
weisheitsvoll, mit kaltem Herzen
ungerührt vorübergehn."
(Robert Prutz, 1848)
GWalter
Gast
Schrieb Kurt Tucholsky, bereits 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.
Hergen Hillen
Gast
Bemerkenswert: Jahre lang war die Finanztransaktionssteuer eine Forderung, die irgendwelchen linken Blättern und Splitterparteien geisterte und vom politischen Mainstream für ebenso abwegig gehalten wurde. Kaum zu glauben, dass diese Idee nun die CDU erreicht hat. Ebenso bemerkenswert: Die auf eine Splitterpartei geschrumpfte FDP versucht sich darin, am großen Rad der Europapolitik zu drehen. Es wäre schon absurd, wenn dieser funktionslose Kindergarten damit Erfolg hätte.
alcibiades
Gast
Wen interessiert es, was die marginale Splitterpartei FDP will? Die einzige, die die noch an der Macht haben will, heisst "Merkel". Ich lehne die FDP kategorisch ab - deswegen steht das doch auch nicht gleich in der Zeitung. Fragen wir doch bei solchen Entscheidungen nicht mehr die FDP, sondern - nur so als Beispiel - die Nena. Die hat genausoviel demokratische Legitimation und würde wahrscheinlich über eine Börsensteuer ernsthafter nachdenken als eine Partei, deren Meinung doch eh längst eingekauft wurde. Der Herr Rösler und seine Kollegen jedenfalls haben jedes Recht verwirkt, den Leuten auf die Nerven zu gehen.
Breakdown
Gast
Eine Zwei-Prozent-Partei will Merkel unter Druck setzen? Da lachen sogar die Hühner im Kanzleramt.