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FDP in der KriseRegierung ist Mist

In der Opposition hatte die die FDP ein Thema und ein Gesicht: Steuersenkungen und Westerwelle. Nun ist ihr Ziel unerreichbar, der Chef angezählt.

Blues Brother vor dem Libanon: Guido Westerwelle. Bild: dpa

Nein, beteuerten FDP-Abgeordnete vor der NRW-Wahl auch unter vier Augen, eine verlorene Landtagswahl werde Guido Westerwelles Macht nicht ins Wanken bringen. Die Liste seiner Erfolge sei einfach zu lang. Das hat sich rasend schnell geändert. Die Liste von Westerwelles Misserfolgen wird immer länger. Nun gerät nicht nur der Parteichef ins Wanken, sondern die ganze FDP.

Einen weiteren, noch vor Kurzem unerreichbar scheinenden Tiefpunkt erreichten die Freidemokraten Ende vergangener Woche. Da verkündete die Forschungsgruppe Wahlen, nur 6 Prozent der Befragten wollten die FDP wählen. Ließe man langfristige Bindungen der Wähler an Parteien weg, dann fiele der Trend noch eindeutiger aus: Nur 3 Prozent der Befragten würden dann der FDP derzeit ihre Stimme geben. Darunter beginnt die statistische Unmessbarkeit. Schlimmer geht es nicht.

Dass es in der Partei zu brodeln beginnt, ist daher nicht erstaunlich - dass erst jetzt Kritik laut wird, allerdings schon. Die FDP hat sich unter Westerwelles Führung stets erstaunlich geschlossen gegeben. Die Partei hatte ein Thema und ein Gesicht: Steuersenkungen und Westerwelle. Gegen die Übermacht einer großen Koalition hat die Partei es vermocht, Wählerinnen und Wählern ihre Botschaft zu vermitteln: "Ihre Arbeit muss sich lohnen." Durch ein "einfaches, niedriges und gerechtes" Steuersystem. Doch die FDP hat in der Regierung weiter so getan, als sei sie lärmende Opposition. Noch einmal, bis zur NRW-Wahl, konnte Westerwelle die Partei hinter sich versammeln. Sie hatte ja auch keinen anderen. Nun bricht die überfällige Diskussion aus über die Frage: Wie, um Himmels willen, kommen wir aus dem Schlamassel wieder raus?

Den ersten Stein werfen wie immer Leute, die nichts mehr zu verlieren haben. Wolfgang Gerhardt, einst von Westerwelle aus Partei- und Fraktionsvorsitz gedrängt, brachte am vergangenen Wochenende die Partei gegen ihren Vorsitzenden in Stellung: Weder die FDP-Basis noch die Bundestagsfraktion seien bereit, sich das Thema Steuersenkungen "auf diese Art und Weise abnehmen" zu lassen.

Damit sind wir bei einem der vielen Dilemmata der FDP. Die Partei verdankt der Verengung aufs Thema Steuersenkungen einen großen Teil ihrer Wahlerfolge. Nun kann sie das unerreichbar gewordene Ziel nicht aufgeben, ohne das verhasste Bild der "Umfallerpartei" zu beschwören. Die Erinnerung an den Wechsel der FDP von der SPD zur CDU soll nach fast drei Jahrzehnten endlich verblassen.

Damit zusammen hängt das zweite Dilemma der Partei: Um ihrem Umfaller-Image zu begegnen, hat sich die Partei früh auf die Union als einzigen möglichen Koalitionspartner festgelegt. Nun ist ihr diese Bindung zur Fessel geworden. Das hat die verdruckste Diskussion um Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition in Düsseldorf eindrucksvoll bewiesen. Dort wirkte die FDP, als handele es sich bei der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft um eine Wiedergängerin Erich Honeckers. Vergessen scheint nicht nur, dass Rot-Gelb Nordrhein-Westfalen bis 1980 14 Jahre lang regierte, sondern auch, dass Gerhard Schröder noch im Wahlkampf 2002 ein Bündnis mit der FDP unter dem damaligen Chef der FDP-NRW erwog: Jürgen Möllemann.

Die einst pragmatische Dauerregierungspartei FDP ist zu einer der letzten Heimstätten einer vermeintlich schlüssigen Ideologie verkommen. Wie könnte ein Ausweg aussehen? Sicher ist derzeit nur: Westerwelle muss Teile seiner großen Macht abgeben. Andere sollen der Partei ein sympathischeres, wärmeres Bild für die Zeit sozialer Einschnitte bieten. Genannt wird immer wieder der Name des Generalsekretärs. Doch Christian Lindner steht nicht für einen Liberalismus mit menschlichem Antlitz, sondern für die Fortführung der Politik Westerwelles mit anderen Mitteln: Steuerentlastungen für Gutverdiener stehen auch für ihn an erster Stelle. Nur ist Lindners Wortwahl geschmeidiger als die seines Chefs.

Nun steckt die FDP in einem weiteren Dilemma. Sie muss neue Ziele abseits von Steuersenkungen definieren. Gleichzeitig soll sie, wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert, aufhören mit der "Ausschließeritis" und neue Bündnispartner suchen.

Die FDP müsste also in der Regierungsverantwortung leisten, was Parteien normalerweise in der Opposition erledigen. Das scheint unmöglich. Um diese Aufgabe zu bewältigen, müssten die Freidemokraten eigentlich in die Opposition gehen. Anwärter für ihre Nachfolge in der Bundesregierung gibt es ja genug.

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8 Kommentare

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  • N
    Nordwind

    Shit! Da erklären uns die Politologen und Parteienforscher seit Monaten das 5 Parteiensystem. Un dann sowat.

     

    Frei nach Pispers: Da haben so einige FDP-Wähler wohl gemerkt, dass sie gar keine Hotels haben.

     

    Aber vieleicht rettet ja auch das dauertrunkene Brüderle (hicks) diese Partei der gierigen Minderheit mit einer revolutionären Idee aus dem BWL-Handbuch für Freischaffende.

  • H
    Holländer

    @Mac-Lennox: "Warum die FDP in manchen Medien weuterhin als Partei gilt, die sich in Wirtschaftsfragen besonders gut auskenne, ist wohl einzig auf ihren Klientelismus gemünzt. Von Sachkenntnis könne schließlich keine Rede sein."

     

    Genau. Wenn die heutige Reichen Geld zuschmeißen Wirtschaftskompetenz ist, ist das Füttern von Zucker an an Kinder Erziehungskompetenz.

  • M
    Medienkritiker

    So was passiert, wenn Journalisten eine Partei nur von außen betrachten und das sehen, was sie sehen wollen - je nach politischer Couleur der/des Betreffenden - eben Positives oder Negatives. Auch weniger hilfreich für die Recherche ist es, nur das Spitzenpersonal in die Betrachtung mit einzubeziehen und sich nicht die Mühe zu machen, mit Basismitgliedern zu reden.

    So viel vorweg.

    Hätte sich mal jemand schon vor langer Zeit abseits von Wahlkämpfen in die "Niederungen" der FDP begeben, hätte er feststellen können, dass es in der Partei brodelt. Zum Beispiel der Wunsch nach einem neuen Grundsatzprogramm wurde von der Parteispitze immer wieder ignoriert. Das Ergebnis ist, dass sich jetzt einzelne Landesverbände Grundsatzprogramme erarbeiten, die mit den Wiesbadener Grundsätzen rein gar nichts mehr zu tun haben werden. Die Personaldiskussion um Westerwelle und Co. wird in den Orts- und Kreisverbänden geführt, seit sich herauskristallisiert hat, dass er Außenminister werden will. Dirk Niebel als ehemaliger Generalsekretär war in einigen Bezirksverbänden persona non grata ...

    Schön, dass wir Medien die "Guidodämmerung" jetzt doch schon mitbekommen - vorher war uns wohl der Versuch wichtiger, völlig transparente Fundraising-Veranstaltungen zu skandalisieren (kleiner Hinweis am Rande: versuchen sie doch mal etwas über Fundraising bei den Grünen oder der SPD zu erfahren, die ja sooo transparent mit ihren Finanzen umgehen ...), oder Westerwelles Worte so zu verbiegen und uminterpretieren (spätrömische Dekadenz), dass seine eigentliche Botschaft verloren ging. Wir haben die FDP durch von uns erfundene oder uns von den politischen Mitbewerbern ins Mikro diktierte Lügen kampagnenartig abserviert. Hilfreich sind dabei natürlich die Agenturen, deren wir uns bedienen um schnell und massiv unsere falschen Botschaften unters Volk zu bringen, damit Widerstand erst gar keine Chance bekommt.

    Und wir werden wahrscheinlich weiter schreiben, heucheln, Wahrheiten verbiegen ... bis Guido fällt. Ja, dass macht uns Spaß. Und wenn Westerwelle weg ist, werden wir uns die/den nächsten zur Brust nehmen. Koch ist weg, Ypsilanti bedeutungslos - wie wär es mit Gabriel, die SPD könnte auch mal wieder einen neuen Vorsitzenden gebrauchen. Und eine neue Kanzlerin wäre dochauch mal was schönes ...

  • M
    MontiBurns

    Nein, Nein, Nein liebe TAZ... die Bluesbrothers hatten einen schwarzen Anzug, ein Schwarze Krawatte, schwarze Sonnenbrille und einen schwarzen Hut... und sie waren coool

  • AM
    Arnold Marcus

    Wenn man sich überlegt das allein mehr Ärzte und Zahnärzte in Deutschland existieren als die 3% Wählerstimmen für diese Splitterpartei ?!.. dann stimmt das doch mit der Klientelpartei,oder? und die stellt den Außenminister.

  • M
    Mac-Lennox

    Anhand dieses Beispiels, welches uns die FDP gnadenlos abliefert, zeigt sich erneut, dass Traumtänzerei gerade in der Politik irgendwann an ihre Grenzen stößt.

     

    Eine Partei, die trotz bedenklicher Wirtschafts- und Finanzdaten - welche nicht erst seit wenigen Tagen bekannt sind - weiterhin auf Steuersenkungen pochte und sie manchmal nahezu herbeischreien wollte, hat sich die schlechten Umfragewerte mehr als redlich verdient.

     

    PS: Warum die FDP in manchen Medien weuterhin als Partei gilt, die sich in Wirtschaftsfragen besonders gut auskenne, ist wohl einzig auf ihren Klientelismus gemünzt. Von Sachkenntnis könne schließlich keine Rede sein.

  • RD
    Richard Detzer

    Ach, hören Sie mir auf. 3% sind noch lange nicht genug. Es geht auch weniger. Man sollte öffentlich und rechtlich für immer totschweigen, daß es so etwas in Deutschland je gegeben hat. Da muß man sich als Gefängnisanwärter in spe allein weger seiner Meinung doch schämen, daß diese... diese... FDP auf den Plakaten überhaupt erlaubt ist.

  • N
    Nigredo

    Eine Partei, die sich zum koalitionären Gefangenen einer einzelnen Partei macht, kann sich genau so gut auflösen und sich zum libertären Wirtschaftsflügel der Union umbenennen.

    Eine eigene Partei ist die FDP nämlich nicht mehr - nur ein Haufen verbitterter neureicher Idioten.