FDP-Politiker Stadler über Geheimdienst-Kontrolle: "Nehme keine kontrollfreien Räume hin"
Die Reform der Geheimdienst-Kontrolle geht dem FDP-Innenexperten Max Stadler nicht weit genug. Er will, dass Parlamentarier über laufende Vorgänge informiert werden - nicht erst im Nachhinein.
taz: Herr Stadler, sowohl CDU als auch CSU wollen den Geheimdienstkontrolleuren mehr Rechte geben. Reicht Ihnen das?
Max Stadler: Man muss schon anerkennen, dass die Union einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht hat. Aber ein Grundproblem ist sie nicht angegangen. Auch nach ihrem Gesetzesentwurf müsste die Bundesregierung das Parlamentarische Kontrollgremium nicht über laufende Vorgänge informieren. Und das sollte sich unbedingt ändern, wenn wir nicht immer erst aus der Zeitung von einer fragwürdigen Operation der Nachrichtendienste erfahren wollen.
Aber was ist, wenn es zu einer Geiselnahme kommt. Da müssen Informationen geheim bleiben, um das Leben der Gefangenen zu schützen.
Ja, die Union bringt dieses Beispiel auch sehr gerne. Es hat allerdings nichts mit dem zu tun, was wir fordern. Die FDP möchte nicht, dass das Kontrollgremium über jedes Detail informiert wird.
Sondern?
Wir wollen, dass das Kontrollgremium über die grundsätzlichen Fragen mitentscheidet. Um dafür ein Beispiel zu finden, muss ich auch nicht auf eine fiktive Geiselnahme zurückgreifen, sondern auf die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. In der Liechtenstein-Affäre ging es beispielweise um die grundsätzliche Frage, ob der BND in Steuerstrafsachen, für die er ja nicht zuständig ist, anderen Behörden Amtshilfe leisten darf. Das hätte man mit uns im Parlamentarischen Kontrollgremium besprechen können, ohne brisante Details preiszugeben.
Das Problem ist doch, dass man erst nach den Presseveröffentlichungen wusste, dass Liechtenstein ein Fall von besonderer Wichtigkeit war. Wenn die Regierung Sie mit Informationen über BND-Operationen überfluten würde, wären Sie doch überfordert, oder?
Es gibt Dinge von besonderer grundsätzlicher Bedeutung, und Liechtenstein hätte auf jeden Fall dazugehört. Es ist natürlich richtig, dass wir derzeit nur neun Abgeordnete sind, die sich nur alle zwei Wochen treffen. Da ist es unmöglich, jede einzelne Aktion des BND zu begleiten. Aber das wollen wir auch gar nicht. Wir möchten, dass die Bundesregierung ihre Pflicht, uns zu informieren, wahrnimmt. Tut sie das nicht, sollten die Verantwortlichen belangt werden können.
Und wie?
Wenn Vertreter der Regierung im Kontrollgremium nachweislich ihrer Berichtspflicht nicht genügen, sollte dies als Dienstvergehen gelten und dementsprechend geahndet werden. Die Union will, dass solche Vergehen im Bundestag öffentlich gemacht werden. Das ist mehr als jetzt, reicht uns aber nicht.
Auch das würde nichts daran ändern, dass Sie nur wenige sind und BND, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst tausende Mitarbeiter haben. Wie wollen Sie die alle kontrollieren?
Auch hier geht der Vorschlag der Union, dass jedes Mitglied des Kontrollgremiums einen Mitarbeiter haben darf, nicht weit genug. Der könnte zwar Akten einsehen, aber nicht mit in die Sitzungen des Gremiums kommen. Genau das brauchen wir Abgeordneten aber, damit wir jemanden haben, der uns kenntnisreich beraten und zuarbeiten kann.
Je mehr Leute in dem Gremium sitzen, desto größer ist die Chance, dass Geheimnisse ausgeplaudert werden.
Selbstverständlich müssten zusätzliche Mitarbeiter genauso an die Geheimhaltungsregeln gebunden sein wie Abgeordnete.
Die Bundesregierung argumentiert, dass Deutschland keine Informationen von US-Geheimdiensten mehr bekäme, wenn man die Zahl der Kontrolleure und damit das Risiko des Geheimnisverrats erhöhen würde.
Das ist absurd. Es ist nicht hinnehmbar, wenn versucht wird, mit solchen Argumenten kontrollfreie Räume zu schaffen.
Wie finden Sie es, dass die Union über die Reform der Geheimdienstkontrolle nur mit Ihnen spricht, während Grüne und Linke ausgegrenzt werden?
Ich war nicht der Einladende bei dem ersten Gespräch. Die FDP hat ja als einzige Fraktion einen vollständigen Gesetzentwurf im Parlament eingebracht, der mit eine Basis für die interfraktionellen Beratungen ist. Aber ich finde es dennoch selbstverständlich, dass zu weiteren Gesprächen alle Fraktionen des Bundestags in die Diskussion einbezogen werden müssen. Es geht um die Kontrollrechte des gesamten Parlaments gegenüber der Bundesregierung.
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ
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