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Archiv-Artikel

FDP-Mann Wilke braucht Tabak

FDP-Landtagsabgeordnete informierten sich an der polnischen Grenze über den Schmuggel – danach brachten die NRW-Liberalen gleich noch selbst ein paar Stangen Zigaretten nach Deutschland

AUS FRANKFURT (ODER) SEBASTIAN HEISER

„NRW braucht Tempo“ ist der Slogan der FDP-Landtagsfraktion und manchmal lernen die Düsseldorfer Abgeordneten tatsächlich ganz schön fix. Zum Beispiel bei Ihrem Besuch in Frankfurt (Oder): An der deutsch-polnischen Grenze ließen sich die liberalen Landtagsmitglieder zunächst am Vormittag von den Behörden über den Zigarettenschmuggel über die Oder informieren. Und nachmittags wandten sie das frisch erworbene Wissen selbst an.

Dienstagvormittag, Rathaus Frankfurt an der Oder, zweiter Stock, großer Saal: 16 FDP-Abgeordnete und ein paar Mitarbeiter sitzen dort, wo sonst die Stadtverordneten der Grenzstadt tagen. Peter Treuner vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg und Hans-Henning Kühne vom Hauptzollamt Frankfurt erläutern die Dimension des Schmuggels an der Grenze, die in der Mitte der Oder verläuft. Allein das Frankfurter Amt griff im letzten Jahr 13.147 Schmuggler auf und beschlagnahmte 29,5 Millionen Zigaretten, dazu noch Videokassetten, CDs, Kaviar, Ikonen. Mehrere Milliarden Euro entgingen dem Bundeshaushalt durch geschmuggelte Güter an der hoch frequentierten deutschen Ostgrenze.

Die kurz bevorstehende Osterweiterung der Europäischen Union am 1. Mai war der Schwerpunkt dieser Reise der Liberalen. Am Montag trafen die Landtagsmitglieder zunächst ihre FDP-Kollegen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, später in Potsdam Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und der Ostdeutschen Sparkassen. Jetzt am Dienstag also Frankfurt (Oder): „Wie hoch schätzen Sie die Aufklärungsquote bei Zigarettenschmuggel?“, fragte FDP-ler Friedrich Wilke die beiden Beamten. Polizist Hans-Henning Kühne erläuterte ihm, dass eine Komplettkontrolle aller Reisenden nicht möglich sei, weil sonst der Verkehr zusammenbrechen würde. Ordnungshüter Peter Treuner erklärte den versammelten Freidemokraten: „Wir gehen davon aus, dass wir fünf Prozent finden.“

Nach dem Mittagessen im Restauracja Odra in Slubice kaufte sich FDP-Kettenraucher Friedrich Wilke sechs Stangen Zigaretten, also 1.200 Stück. Nicht vier Euro wie in Deutschland kostet dort eine Schachtel, sondern weniger als 1,50 Euro. Zollfrei einführen nach Deutschland darf eine Person aber nur eine Stange, das sind 200 Zigaretten. Also verteilte Wilke kurz vor dem Grenzübertritt die heiße Ware unter seinen Kollegen. Der Abgeordnete Dietmar Brockes, Sprecher für Europapolitik und Mitglied im Verkehrsausschuss, nahm eine Stange. Genau wie die stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin Judith Pirscher, liberale Referentin für Innen- und Rechtspolitik. Und auch Polizeihauptkommissar Horst Engel, stellvertretender Vorsitzender und innenpolitischer Sprecher der Fraktion, nahm seinem Kollegen 200 Zigaretten ab. Problemlos kam die Gruppe so über die Stadtbrücke und durch die Kontrollen von Bundesgrenzschutz und Zoll. Auf der deutschen Seite sammelte der Abgeordnete Wilke die Zigaretten wieder ein und verstaute sie in seiner schwarzen Plastiktüte.

Verstößt das gegen die Gesetze? Auf Nachfrage erklärt Hans-Henning Kühne vom Hauptzollamt die Rechtslage: „Es ist unzulässig, wenn jemand vor dem Grenzübertritt mehrere Stangen Zigaretten an mehrere Personen verteilt, um die Zahlung von Einfuhrabgaben zu umgehen. Die Einfuhr ist dann rechtswidrig, es handelt sich um Steuerhinterziehung.“ Und die wird nach Paragraphen 370 der Abgabenordnung mit Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren bestraft. Es gibt aber eine Bagatellregelung, nach der lediglich ein Zollzuschlag auf die Einfuhrabgaben erhoben wird, der nicht mehr als 125 Euro beträgt. Diese Regelung gilt nur für Ersttäter, die Zigaretten zum persönlichen Bedarf kaufen – aber nur bei weniger als 1.000 Zigaretten. Hans-Henning Kühne: „Bei mehr als 1.000 Zigaretten wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei den übrigen Beteiligten ist dann zu prüfen, ob sie Teilnehmer der vorgenannten Steuerstraftat sind.“