■ FDP-Initiative: Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?: Was nützlich wäre
So etwas nennt man eine Regierung vorführen, und es ist das gute Recht einer jeden Opposition. Die Freien Demokraten haben versucht, Rot-Grün mit den eigenen Waffen zu schlagen, als sie gestern ihren Gesetzentwurf für ein „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ auf die Tagesordnung des Bundestags setzten. Ähnliche Entwürfe, mit schöneren Namen, hatten sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen einmal selbst eingebracht – da waren sie noch in der Opposition. Damals zwangen sie ihrerseits die FPD in die Zwickmühle, aus Koalitionsdisziplin und wider eigene Überzeugung dagegen zu stimmen.
Insofern wären jetzt beide Seiten quitt. Nur steckt hinter dem taktischen Schachzug der FDP leider kein parlamenentarischer Wettbewerb „Wer bricht sein Wort am schnellsten?“, sondern ein ungelöstes Problem. Das kleinere Problem ist, daß es keinen rot-grünen, nicht einmal einen grün-grünen und schon gar keinen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, ob und mit wieviel Zuwanderung dieses Deutschland leben kann, muß oder sollte.
Das größere Problem ist, daß die Wirklichkeit sich herzlich wenig darum schert. Zuwanderung findet statt, ob mit oder ohne Konsens und gesetzlichen Segen. Ein Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz hätte deshalb vor allem demonstrative Bedeutung, indem es Deutschland ein Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft abverlangte. Es kann nichts schaden und ein wenig nützen, deshalb sollte es nach wie vor auf der rot-grünen Tagesordnung stehen. Aber die Erwartung zu wecken, Migration könnte damit kontrollier- oder regulierbar werden, wäre eine weitere Lebenslüge in der Ausländerpolitik.
Vordringlicher als ein Einwanderungsgesetz mit – wie auch immer ausgehandelten – Quoten wären deshalb sinnvolle, humane Regelungen für die Gruppen von Migranten, die es unabhängig von einem Zuwanderungsgesetz gibt und weiter geben wird: Regelungen für Asylsuchende, die in Deutschland ein Verfahren unter den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention durchlaufen, für Bürgerkriegsflüchtlinge, die in finanzielle Verteilungskämpfe von Kommunen und Ländern geraten, für Flüchtlinge, die man vielleicht nie nach Hause schicken kann, aber bei uns auch nicht integrieren will, für illegal Eingewanderte oder Gewordene, die sozialen Mindestschutz brauchen. Hier hat Rot-Grün noch viele Hausaufgaben zu machen. Nur scheinen einige mit dem Versprechen auf eine Staatsbürgerschaftsreform schon zu meinen: „Wir haben fertig.“ Vera Gaserow
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