: FDP-Gratiskita nur im Wahlkampf
Die FDP kämpft für eine frühkindliche Bildung, die umsonst ist – im Wahlkampf. In der niedersächsischen Realität verhindert die FDP nach Kräften, dass die Kita billiger wird
BERLIN taz ■ Als die FDP-Abgeordnete Gesine Meißner ans Rednerpult trat, war sie entschlossen. „Vor der Sommerpause und vor dem neuen Kindergartenjahr besteht Handlungsbedarf“, sagte die Sozialexpertin der niedersächsischen Liberalen. Meißner sprach über Kindergartengebühren. Eltern wie bildungspolitischen Beobachtern stockte der Atem: Jetzt macht die FDP wirklich wahr, was sie am Montag via Bild auf der Seite 1 verkündet hatte: Kostenloser Kindergarten ab dem 3. Lebensjahr.
So steht es auch im Wechsellexikon der FDP, mit dem sie für ihre Regierungsbeteiligung wirbt. Nicht erst die schulische Bildung müsse umsonst sein, fordern die Liberalen, sondern „auch und gerade die frühkindliche Bildung“. Zu Deutsch: Kita muss gratis sein.
FDP-Parlamentarierin Meißner sah im Landtag Hannovers ganz anderen Handlungsbedarf. Die Kitabeiträge, sagte sie, dürften keinesfalls „zu Lasten der kommunalen Haushalte“ sinken. Daher verhindert die Regierungs-FDP in Hannover, was die Regierungs-FDP von Berlin ganz Deutschland in Aussicht stellt: dass Kindergartenpreise fallen.
Hintergrund des liberalen Scheiterns ist Hartz IV. Im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe änderte sich der frühere doppelte Regelsatz der Sozialhilfe von 570 Euro auf 690 Euro. In Bundesländern und Kommunen, die ihre Gebührenbefreiung an den Sozialhilfesatz knüpfen, erzeugt dies ein Finanzproblem – für die öffentlichen Kassen. Denn ab dem neuen Kindergartenjahr ab 1. August wären dann mehr Geringverdiener von den Kitagebühren befreit. Niedersachsens Kommunen hätte dies 10 Millionen Euro Mehrausgaben gekostet. Also schritt der Landesgesetzgeber ein – und verhinderte, dass die Kitas billiger werden.
Niedersachsen ist kein Einzelfall. Überall im Land schwitzen die Kommunen und die Referenten für Kindergärten in den Ministerien über der Frage: Wie können wir Einnahmeverluste bei den Kitas verhindern? Was zeitgleich in Berlins Parteizentralen für den Wahlkampf 2005 verkündet wird, interessiert dabei wenig. Obwohl es spannend wäre – denn in der Hauptstadt wird gerade reihum die Umsonst-Kita versprochen.
Am Samstag forderte SPD-Bildungsministerin Bulmahn, die Kindergärten auf lange Sicht gebührenfrei zu stellen. Am Dienstag folgten die Bundesgrünen. Sie verlangen in ihrem neuen Wahlprogramm, dass es ein kostenfreies Vorschuljahr geben müsse. Die rot-grüne Stadtregierung in Hannover muss solche Beschlüsse nicht kümmern: Sie sorgte schon vor geraumer Zeit dafür, dass Kitagebühren nicht sinken. Sozialdezernent Thomas Walter: „Es war an keiner Stelle beabsichtigt, … zu Lasten der Kommunen zahlreiche Eltern beitragsfrei zu stellen.“
Norbert Hocke von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll über das, was sich dieser Tage zuträgt: „Die Wahlkampfparolen der Parteien, die mit der Gratiskita locken, werden auf dem Rücken der Eltern ausgetragen“, sagte er der taz. CHRISTIAN FÜLLER